Mit Big Data zu gezielteren Krebstherapien

27. Juni 2022

Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in der Schweiz. Neue Perspektiven für die Krebsforschung eröffnet die Präzisionsmedizin: Dank einem weltweit einzigartigen Projekt sollen Patientinnen und Patienten optimal individualisierte Therapien erhalten.

ETH Zürich Foundation, Mit Big Data zu gezielteren Krebstherapien
Der quantitative Biologe Bernd Bodenmiller generiert plastische Bilder von Tumorgewebe, um das Zusammenspiel der unterschiedlichen Zellen in krankem Gewebe zu analysieren.
© UZH / Marc Latzel
Der quantitative Biologe Bernd Bodenmiller generiert plastische Bilder von Tumorgewebe, um das Zusammenspiel der unterschiedlichen Zellen in krankem Gewebe zu analysieren.
© UZH / Marc Latzel

Allein die Schweiz zählt jedes Jahr über 42 000 neue Krebspatientinnen und Krebspatienten. 17 000 Todesfälle sind alljährlich zu beklagen. Besonders anspruchsvoll für die Medizin: Jeder Tumor ist einmalig und entwickelt sich nach einem eigenen Muster. Krebs wird heute als einzigartiges Ökosystem aufgefasst, in dem eine Unzahl von Molekülen und Zellen mit den Schutzmechanismen des menschlichen Körpers, einschliesslich des Immunsystems, konkurrieren.

Im richtungsweisenden Tumor Profiler Center bestimmen Forschende bei Krebspatientinnen und -patienten nun das molekulare Profil dieses je individuellen Ökosystems, das die Wirksamkeit von Krebsmedikamenten wesentlich beeinflusst. Neu daran sind nicht nur mehrere der verwendeten Methoden, sondern auch, dass die molekularen und funktionellen Eigenheiten von Tumoren mit einer Vielzahl sich ergänzender Methoden untersucht werden, um aus deren Kombination neue Erkenntnisse zu gewinnen. In Verbindung mit einem besseren Verständnis der molekularen Grundlagen von Krebs bedeutet dies in absehbarer Zukunft erhebliche Vorteile für Patientinnen und Patienten.

Mächtiges Werkzeug Datenwissenschaft

Die Untersuchungen umfassen Analysen des Genoms, der Biochemie, von Funktion und Zustand verschiedener Tumorzelltypen sowie deren Reaktionen auf Therapien. Mit Untersuchungen auf Einzelzellebene erfassen die Forschenden auch die zelluläre Vielfalt in einem Tumor, die nicht nur Tumorzellen, sondern auch Zellen des Immunsystems einschliesst. Es kommen damit pro Patient riesige Datenmengen zusammen, welche mit datenwissenschaftlichen Methoden aufbereitet und analysiert werden.

Informationen aus medizinischer Bildgebung sowie aus weiteren Patientendaten werden ebenfalls berücksichtigt. Die Tumor-Profiling-Befunde werden anschliessend den Ärztinnen und Ärzten zur Verfügung gestellt, welche sie an interdisziplinären Tumorboard-Sitzungen diskutieren. Die behandelnden medizinischen Fachpersonen können damit personalisierte und somit potenziell stark verbesserte Therapieempfehlungen abgeben.

Über 200 Krebspatientinnen und -patienten konnten bereits davon profitieren. Langfristige Ziele des Tumor-Profiler-Projekts: die klinische Entscheidungsfindung durch erfahrene Pathologinnen und Pathologen mit Computermodellen zu verbessern, in denen die grossen, vielschichtigen Datensätze integriert sind, und Krebs von einer oft tödlichen in eine behandelbare Krankheit zu verwandeln. Aufbauend auf dem bisherigen Erfolg sind klinische Studien zu Eierstockkrebs und Melanomen (schwarzer Hautkrebs) geplant.

Spitzenkräfte am Werk

Bernd Bodenmiller, Professor für Quantitative Biomedizin an der ETH Zürich, leitet das Gesamtprojekt zusammen mit Viola Heinzelmann-Schwarz, Chefärztin der Gynäkologischen Onkologie am Universitätsspital Basel, sowie Andreas Wicki, Professor für Onkologie an der Universität Zürich und Leitender Arzt der Onkologie am Universitätsspital Zürich.

Insgesamt arbeiten mehr als 60 Fachleute aus den Bereichen Onkologie, Pathologie, Dermatologie, Molekulare Systembiologie, Biomedizinische Informatik, Quantitative und Computer-gestützte Biologie, Genomik, Proteomik und Translationale Medizin zusammen, um der Krebsforschung neuen Schub zu verleihen. Das Tumor Profiler Center baut auf bahnbrechenden technologischen Fortschritten auf, die in den letzten zehn Jahren in den beteiligten Einrichtungen erzielt wurden. Bis 2025 soll es ein nationales Zentrum für Präzisionsonkologie werden.

Die Zusammenarbeit von Einrichtungen mit Expertise von der Grundlagenforschung über die Technologie bis hin zur klinischen Praxis gewährleistet eine schnellere Umsetzung technologischer und biologischer Fortschritte in die Klinik. Dies bietet den idealen Hintergrund für dieses Projekt an der Schnittstelle von Medizin und Technologie und schafft hervorragende Bedingungen, um besseren Krebstherapien bedeutend näher zu kommen.

ETH Zürich Foundation, Mit Big Data zu gezielteren Krebstherapien
«Unsere Vision für den Bosch Health Campus ist, dass wir uns den grossen Herausforderungen an die Gesundheitsversorgung wie demografischer Wandel, Digitalisierung, Klimawandel und technische Innovationen bis Ende des Jahrzehnts erfolgreich gestellt haben. Für die notwendigen Veränderungen im Gesundheitssystem sind wir sichtbare Pioniere und Vorbild! Das können wir nur mit Partnern und daher wollen wir mit den Besten wie etwa der ETH Zürich zusammenarbeiten!»
Dr. Ingrid Wünning Tschol
Director Robert Bosch Centre for Innovative Health and Senior Vice President Health Bosch Health Campus, Stuttgart, Mitglied Stiftungsrat ETH Foundation Deutschland