Was unser Atem offenbart
Was unser Atem offenbart
Die Atemluftanalyse birgt grosses Potenzial für ein tieferes Verständnis unserer Gesundheit. ETH-Professorin Emma Slack gibt Einblick.
Sie leiten Zurich Exhalomics, gemeinsam mit Renato Zenobi, ETH-Professor für Analytische Chemie. Worum geht es bei dem Projekt?
EMMA SLACK – Wir wollen die Analyse ausgeatmeter Luft für die medizinische Praxis nutzbar machen. Dabei setzen wir ein Massenspektrometer ein, um eine grosse Vielfalt der ausgeatmeten Moleküle – das Exhalom – zu bestimmen. Vereinfacht dargestellt ist unser Ziel, dass eine Person in ein Rohr bläst und wir sofort Entscheidendes über deren Gesundheitszustand erfahren. Im Vergleich zur Diagnose anhand der Blutanalyse ist diese Methode nichtinvasiv und wir erhalten die Ergebnisse beinahe in Echtzeit.
Wofür kann die Atemluftanalyse eingesetzt werden?
Zurzeit forschen elf interdisziplinäre Teams aus Biologinnen, Klinikern und Ingenieurinnen zu den unterschiedlichsten Anwendungsmöglichkeiten. Diese reichen von der Diagnose von Krankheiten über die Überwachung der Medikamenteneinnahme bis zu Ernährungsempfehlungen. Ein Fokus liegt auf der Diagnose von Lungenerkrankungen wie Asthma oder Infektionen bei zystischer Fibrose. Aktuell sammeln drei Spitäler Daten, um Atemprofile für diese Krankheiten zu erstellen. Dies birgt insbesondere Hoffnung für die pädiatrische Medizin, da es für Kinder schwierig oder unmöglich ist, ihre Symptome zu beschreiben. Mit der Methode könnten auch seltene genetische Krankheiten wie der Harnstoffzyklusdefekt, eine Stoffwechselstörung, die unbehandelt zu schweren Hirnschäden führen kann, in Echtzeit überwacht werden. Dies wäre besonders im Frühstadium bei Neugeborenen sehr wertvoll, da die Atemluft im Inkubator gemessen werden und so eine invasive Blutentnahme vermieden werden kann. Ein weiteres Projekt, das bereits weit fortgeschritten ist, fokussiert auf die Überwachung der Therapie von Fettleibigkeit.
© ETH Foundation / Daniel Winkler
«Mit Zurich Exhalomics vervielfachen wir die Wirkung unserer Fördermittel zum Wohle künftiger Patientinnen und Patienten.»
Stiftungsratspräsident Evi Diethelm-Winteler-Stiftung
Wie hilft Atemmessung gegen Fettleibigkeit?
Für die Behandlung von Fettleibigkeit ist unter anderem der optimale Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme entscheidend. Damit Patienten ihre Diät effizient überwachen und gezielt Anpassungen vornehmen können, benötigen sie Informationen zu ihrem Fettstoffwechsel. Gemeinsam mit dem Universitätsspital Zürich (USZ) entwickelte Professor Andreas Güntner einen Atemluftsensor sowie ein handliches Messgerät, mit dem Patientinnen den Acetongehalt ihrer Atemluft messen können und so Aufschluss über ihren Ernährungszustand erhalten. Damit könnte eine der Hauptursachen von Krankheiten wie Diabetes Typ 2 oder Herzerkrankungen bekämpft und das Gesundheitssystem entlastet werden.
Wo sehen Sie die grössten Entwicklungsmöglichkeiten von Zurich Exhalomics?
Handmessgeräte sind sicher eine grosse Chance, um die Atemluftanalyse breit zugänglich zu machen. Wir können die Massenspektrometrie nutzen, um weitere relevante Atemluftmarker zu bestimmen. Kombiniert mit den passenden Sensoren wollen wir Messgeräte entwickeln, die kostengünstig produziert und zu Hause, in Kliniken oder in Arztpraxen angewendet werden können. Die Weiterentwicklung wäre ein Plug-in im Gerät, wodurch die Daten direkt auf eine App auf dem Handy des Patienten gespeichert würden. Aus meiner Sicht verspricht Zurich Exhalomics zudem, nicht alleine die Diagnose und Überwachung von Krankheiten zu vereinfachen, sondern auch deren Ursachen besser zu verstehen.
Das Projekt wird durch Donatorinnen und Donatoren gefördert. Wo kann weitere Förderung einen Unterschied machen?
Die bisherige Förderung ermöglichte grosse Schritte, beispielsweise in der Bestimmung von relevanten Krankheitsmarkern. Ein wichtiger, aber kosten- und zeitintensiver nächster Schritt ist die Validierung solcher Marker. Weitere Förderung beschleunigt die Weiterentwicklung des Handmessgeräts und ermöglicht, die Methode für weitere Krankheiten zu testen, so für Stoffwechselstörungen oder Infektionskrankheiten.
Zurich Exhalomics vereint neun verschiedene Institutionen. Welche Rolle kommt dabei der ETH zu?
Das Grossprojekt wurde von Malcolm Kohler, damals Chef der Lungenklinik am USZ, und Renato Zenobi initiiert, einer Koryphäe in der Forschung zur Massenspektrometrie. Die Stärken der ETH liegen in der Technologieentwicklung, nicht nur bei der Massenspektrometrie, sondern auch bei der optischen Spektroskopie und der Sensortechnologie, im Umgang mit Referenzgasen und natürlich in den Datenwissenschaften und der künstlichen Intelligenz. Das ETH-Spinoff Alivion hat dieses exzellente Know-how erfolgreich für Anwendungen in Medizin, Umwelt und Lebensmittelsicherheit kommerzialisiert.
Neben Ihrer Tätigkeit als Co-Leiterin von Zurich Exhalomics leiten Sie das Labor für Mukosale Immunologie der ETH und der University of Oxford. Was erforscht dieses Labor?
Wir erforschen die Zusammenhänge zwischen dem Mikrobiom und der Ernährung, dem Immunsystem oder dem Stoffwechsel. Die Zusammensetzung unseres Mikrobioms – die Mikroorganismen, die uns besiedeln – beeinflusst die Gesundheit stark, und wir wollen durch ein besseres Verständnis Krankheiten verhindern und behandeln. Da unser Atem sogar Hinweise auf das Mikrobiom, beispielsweise im Darm, enthält, birgt Zurich Exhalomics spannende Chancen für unsere Forschung.