Auf eigene Faust

Auf eigene Faust
Bevor er ein schweizweit bekanntes Unternehmen aufbaute, hat er mit Leidenschaft Maschinenbau studiert: Walter Fust über Beruf, Berufung und seine lebenslange Nähe zur ETH.
Sie sagen, Sie hätten schon als Primarschüler in Niederuzwil gewusst, dass Sie einmal an die ETH Zürich wollen – wie kam das?
WALTER FUST – Ich war schon immer sehr technik- und zahlenorientiert und ein guter Schüler. Als ich im achten Schuljahr war, stand ich frühmorgens bei meinem Vater am Bett, um seine Unterschrift für die Anmeldung für die Kantonsschule in St. Gallen zu erhalten. Er fragte: «Was ist das und wie lange dauert das?» «Viereinhalb Jahre», so meine Antwort. «Und was bist du dann?» Ich erklärte ihm, dass ich an die ETH studieren gehen wolle. Mein Vater war ein «Chrampfer» und wollte mich als Elektriker für seinen kleinen Betrieb. Er war alles andere als begeistert von meinen Plänen. Nach langem Hin und Her unterschrieb er schliesslich. Hätte er es nicht getan, hätte ich übrigens selbst unterzeichnet.
1960 starteten Sie an der ETH.
An der ETH zu studieren, war für mich ein grosses Glück. Ich fühlte mich berufen zum Maschineningenieur, entsprechend leicht fiel mir das Studium. Zürich war für mich die ETH, ich habe sie eigentlich nur für Reisen verlassen.
«Ich will den Nachwuchs fördern, und zwar da, wo es etwas bringt. Die Jungen an der ETH machen mir einen guten Eindruck.»
Sie waren aber bereits im Versandhandel tätig.
Nachdem ich in jungen Jahren schon mit Töfflis und Autos gehandelt hatte, stieg ich während des Studiums in den Versandhandel mit Elektrobacköfen ein. Ich konnte mein Leben so zu hundert Prozent selbst finanzieren und habe ausserdem gelernt, wie Werbung funktioniert, was mir später zugutekommen sollte. Ausserdem habe ich mich früh damit befasst, wie man sein Kapital am besten anlegt. Statt Mittag zu essen, habe ich jeweils bei einem Kaffee die Börsenkurse studiert. Man muss sich interessieren, um etwas von den Dingen zu verstehen! So kam es, dass ich einer der wenigen ETH-Angehörigen war, der sich ein Auto leisten konnte. Ich parkte meinen MG jeweils vor dem Maschinenlabor.
Nach dem Studium entschieden Sie, sich selbstständig zu machen, obwohl es attraktive Angebote aus der Industrie gab – was trieb Sie an?
Ich dachte immer, dass ich vom Charakter her nicht der typische Angestellte bin. Mein Vater handelte mit Waschautomaten. Mir schien, dass das ein lukratives Geschäft sein könnte. Während meiner Zeit in der Kaserne in Bern hatte ich die Konkurrenz studiert, ich sah Möglichkeiten. Also habe ich in Bern begonnen, wenn auch mit Zittern, war ich doch schon verheiratet und hatte Kinder. Ich und meine zwei Mitarbeiter waren von Anfang an unglaublich erfolgreich, obwohl wir von allen bekannten Marken boykottiert wurden und die Konkurrenz kartellmässig zusammenhielt. Sie wollten mich als unseriösen Discounter hinstellen. Deswegen nannte ich die Firma später «Dipl. Ing. Fust»: ein Signal an die Kundschaft, dass man uns vertrauen kann.

© Samuel Trümpy
1978 sind Sie mit Ihrer Firma an die Börse.
Das war ein interessanter Moment, weil wir zuvor nie Zahlen offengelegt hatten. Mein Motto war immer «schweigen, schweigen, schweigen und auf den Stockzähnen lächeln», weshalb mich alle unterschätzten. Noch im Januar vor dem Börsengang hiess es: «Der Fust übersteht den Sommer nicht.» Erst als ich die Zahlen bekannt geben musste, realisierte die Branche, dass sie nichts mehr gegen mich ausrichten kann.
Später kam Ihr Engagement in der Maschinenindustrie hinzu, unter anderem bei der Starrag. Doch auch in Ihrer aktivsten Zeit haben Sie nie den Draht zur ETH verloren.
Genau. So war die Starrag anfänglich Mehrheitsaktionärin von Inspire, dem von der ETH und der Schweizer Industrie gegründeten Technologietransferzentrum, in dessen Verwaltungsrat ich 20 Jahre war. Die ETH ist bis heute sehr gut positioniert, was für die Schweiz ein Riesenglück ist. Ihre wichtigste Funktion ist die Bereitstellung fähiger Leute für die Wirtschaft, und das leistet sie.
Im Rahmen des Pioneer-Fellowship-Programms engagieren Sie sich für Jungunternehmertum an der ETH – weshalb?
Ich will den Nachwuchs fördern, und zwar da, wo es etwas bringt. Die Jungen an der ETH machen mir einen guten Eindruck. Dabei geht es nicht um die Anzahl, sondern um Qualität, um brillante Köpfe. An der ETH gibt es ein Querdenken, das in der Wirtschaft draussen fehlt.
Sie sind nach wie vor sehr umtriebig – kennen Sie auch so etwas wie Hobbys?
Das waren immer Reisen und Wandern. Ich mache keine Wanderung ohne Ziel, sodass kaum jemand die Schweiz zu Fuss so gut wie ich kennt. Wie viele Leute sind beispielsweise schon einmal die Thur entlang von der Quelle bis zur Mündung gewandert? Ich bin jeden Schweizer Fluss abgelaufen, habe jeden See umrundet.
Zur Person
Walter Fust (* 1941) baute mit der Dipl. Ing. Fust AG ein bedeutendes Elektrofachhandelsunternehmen auf, das er 2007 an die Coop-Gruppe verkaufte. Seit Ende der 1980er-Jahre war er Mehrheitsaktionär und später langjähriger Verwaltungsratspräsident des Maschinenbauers Starrag (inzwischen StarragTornos), beteiligte sich an weiteren Firmen und war aktiv in der Immobilienbranche. Er hat zwei Söhne und eine Tochter.