Die Revolution auf dem Teller
Mit Weitblick investiert der Unternehmer und Gönner Roger Lienhard seit 2016 in Start-ups, die nachhaltige Alternativen zu Fleisch- und Milchprodukten produzieren. Auf diesem Weg will er seinen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels leisten.
Sie verfolgen beruflich und privat kein geringeres Ziel als die Transformation der globalen Lebensmittelindustrie. Wie kam es dazu?
ROGER LIENHARD – Über einige Umwege. Nach einer Banklehre gründete ich als 19-Jähriger meine erste Firma. Wir importierten Computer und Telefaxgeräte. Bald zog es mich in die Werbung, und als das Internet aufkam, baute ich ein Unternehmen auf, das Werbeflächen auf Onlineportalen von Zeitungen vermarktete. Nach weiteren Firmengründungen im Bereich Software und IT hatte ich mit 45 genug von diesem Teil der Businesswelt. Ich verkaufte meine Beteiligungen und reiste für ein Sabbatical nach Kalifornien. Die «Can-do»-Mentalität und der bewusste Lebensstil in Los Angeles sagten mir sofort zu. Als mich meine Tochter besuchte, entschied ich mich im Zuge eines Gesprächs mit ihr schliesslich zum Schritt hin zur veganen Ernährung.
Sie wurden durch eine Ernährungsumstellung zum visionären Investor in nachhaltige Nahrungsmittelproduktion?
Meine Ernährungsumstellung wurde durch die Liebe zum Tier ausgelöst. Nach und nach merkte ich, dass ich beim Rennen und beim Yoga leistungsfähiger wurde. Je mehr ich mich über die Nahrungsmittelproduktion und die Viehwirtschaft informierte, desto mehr erfuhr ich über die damit verbundene riesige Belastung für Umwelt und Klima. Gleichzeitig suchte ich eine neue Aufgabe: Ich wollte einen positiven Impact schaffen und der Gesellschaft etwas zurückgeben. Ich fing an, junge Unternehmen an der Westküste zu besuchen, die an Alternativen zu tierischen Proteinen arbeiteten, wie Beyond Meat und Impossible Foods. Sie servierten mir ihre Burger im Sitzungszimmer und beteuerten, dass der Unterschied zu Fleisch bald kaum mehr wahrnehmbar sein würde. Damals, vor fünf Jahren, war das schwer zu glauben. Aber der Erfolg hat diesen Pionieren recht gegeben. Mit meinen Unternehmen Blue Horizon und Livekindly haben wir inzwischen in über 60 Start-ups investiert. Heute sind wir weltweit der grösste Investor in diesem Bereich.
Was ist aus Ihrer Sicht «the next big thing» auf diesem Markt?
Von der Produktkategorie her sind Alternativen zu Seafood und Poulet sowie Milchersatz im Kommen. Technologisch gesehen haben pflanzenbasierte Produkte die Nase vorn. Fermentationsverfahren für Joghurt oder Käse aus pflanzlichen Rohstoffen und im Labor kultiviertes Fleisch werden in den nächsten fünf bis acht Jahren einen Durchbruch erleben, wenn die technologische Skalierung möglich ist.
Sie investieren auch in Schweizer Unternehmen wie Planted, ein Spin-off der ETH Zürich. Was macht Planted richtig?
Die Nachfrage nach Hühnerfleisch ist weltweit enorm und überall wird derzeit an Alternativen getüftelt. Das Planted-Poulet auf Basis von Erbsenprotein ist mit Abstand das Beste, was es derzeit auf dem Markt gibt – auch dank der Unterstützung in der Entwicklung durch Donatorinnen und Donatoren. Ich probiere nach Möglichkeit jedes Produkt, bevor ich investiere, und jede Woche landen 20 neue Businesspläne auf meinem Tisch; an Vergleichsmöglichkeiten fehlt es mir also nicht.
Wohin bewegt sich die Schweiz hinsichtlich Alternativen zu tierischen Proteinen?
Das Angebot hat sich stark verbessert, aber es braucht noch mehr Investitionen. Ein Silicon-Valley-Start-up findet schnell Geld für ein gutes Produkt, in der Schweiz ist das nach wie vor nicht so einfach. Doch ETH-Alumnus Lukas Böni und seine Mitgründer bei Planted zeigen mit mehreren erfolgreichen Finanzierungsrunden, dass es auch hier möglich ist, Investoren zu finden und zu überzeugen.
Was verbindet Sie mit der ETH?
Ich war beeindruckt, als ich im persönlichen Austausch erfuhr, wie die Gründer von Planted durch ihre Ausbildung und Forschung in das Thema hineingewachsen sind und schliesslich ein erstklassiges Produkt entwickelt haben. Ich schätze es sehr, dass ich mit intrinsisch motivierten jungen Menschen zusammenarbeiten darf, die ein Problem lösen und etwas für die Umwelt machen wollen. Ich wünsche mir, dass Unternehmertum an der ETH noch stärker gefördert wird, vor allem hinsichtlich klimarelevanter Innovation.
Als Gönner der ETH unterstützen Sie die Forschung von Professor Anthony Patt (siehe S. 7). Was motiviert Sie dazu?
Ich will dazu beitragen, mehr Wissen um die Dringlichkeit von Lösungen und um konkrete Lösungsansätze im Kampf gegen den Klimawandel zu schaffen. Die ETH gehört zu den besten Hochschulen weltweit. Zahlen und Fakten aus dieser Institution haben Gewicht und werden auch international beachtet.
Wie kann aus Ihrer Sicht jeder Einzelne seinen Beitrag leisten?
Bewusster konsumieren, bescheidener werden. Das persönliche Konsumverhalten zu verändern, ist simpel und effektiv, denn am Ende produzieren Firmen das, was nachgefragt wird. Die Revolution kann auf dem eigenen Teller beginnen.