Uplift - Ursprung des Lebens
Uplift - Ursprung des Lebens
Im Gespräch

Ferne Welten begreifen

von Isabelle Vloemans
7. Dezember 2023
ETH Zürich Foundation, Ferne Welten begreifen
Sogenannte Super-Erden und Mini-Neptune sind im Fokus der Arbeit von Caroline Dorn.
© ETH Foundation / Daniel Winkler
Im Gespräch

Ferne Welten begreifen

von Isabelle Vloemans
7. Dezember 2023

Caroline Dorn untersucht, woraus Exoplaneten bestehen. Im Interview erklärt die ETH-Professorin, weshalb sie gerade in ihrem Forschungsfeld in nächster Zeit bedeutende Fortschritte erwartet.

 

Sie befassen sich nun seit rund 10 Jahren mit extrasolaren Planeten, also Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems, seit diesem Jahr als ETH-Professorin. Wie kam es dazu?

CAROLINE DORN – Ursprünglich komme ich aus den Erdwissenschaften. Bis und mit Doktorat habe ich mich geophysikalischen Phänomenen gewidmet, darunter Erdbeben oder Wasser im Grundgestein. 2013 suchte die Universität Bern jemanden aus der Geophysik, um Exoplaneten zu charakterisieren. Ich habe mich beworben und die Stelle bekommen. Die Exoplanetenforschung ist noch sehr jung. Als die Astronominnen und Astronomen merkten, dass sie extrasolare Planeten ausfindig machen können, war plötzlich Expertise aus allen möglichen anderen Bereichen gefragt. So kam ich als Quereinsteigerin zu dem Thema. Am ersten Tag meines Postdocs habe ich erst mal die Definition von «Planet» nachgeschlagen.

Inwiefern kommt es Ihnen heute zugute, dass Sie ein wissenschaftliches Leben vor dem Thema Exoplaneten hatten?

Ich glaube, dass es mir gutgetan hat, mich mit verschiedenen Disziplinen vertraut zu machen und deren unterschiedliche Wissenschaftskultur kennenzulernen. Es ist, als würde ich verschiedene Sprachen sprechen können. Genau das ist essenziell, um tatsächlich interdisziplinär arbeiten zu können. Das Wort Interdisziplinarität ist schnell gesagt; aber um dieses Ideal zu realisieren, muss man sich Zeit nehmen und sich einer anderen Disziplin wirklich aussetzen.

ETH Zürich Foundation, Ferne Welten begreifen
Illustration der Supererde 55 Cnc e, die ihren Stern so nahe umkreist, dass ihre Oberflächentemperatur fast 3000 Grad Celsius beträgt. Caroline Dorn hat gezeigt, dass 55 Cnc e durch ein mögliches grosses Vorkommen an Saphiren und Rubinen rotblau schimmern kann.
© Thibault Roger

Stichwort Interdisziplinarität – weshalb setzt das Centre for Origin and Prevalence of Life der ETH so stark darauf?

Die Exoplanetenforschung und die Forschung zum Ursprung des Lebens als Ganzes ist ein ideales Feld, um Links zwischen den Disziplinen herzustellen und dadurch schnell bedeutende Fortschritte zu erzielen. Für dieses dynamische Feld stellt das Centre eine einmalige Umgebung dar. Das Potenzial für grosse Erkenntnissprünge ist da.

Worum geht es in Ihrer Forschung?

Ich will wissen, woraus ferne Welten aufgebaut sind. Die Zusammensetzung eines Planeten erzählt uns nämlich etwas über seine Entstehung und Entwicklung. Ich möchte z.B. wissen, wie viel Wasser es dort geben kann, wie gross der eiserne Kern ist oder woraus die Atmosphäre besteht. Wasser ist ein wichtiger Baustein für das Leben auf Planeten, deshalb interessiert mich auch, wo und in welcher Form Wasser vorkommt. Kann es dort über lange Zeit Ozeane aus flüssigem Wasser geben? Um diese Fragen zu beantworten, arbeite ich mit bestehenden Daten zu Gewicht und Grösse von Planeten. Unsere Modelle nutzen auch Informationen, wie sich Materialien bei grossen Drücken und Temperaturen verhalten. Ich schaue sozusagen tief ins Innere der Exoplaneten.

Inzwischen sind über 5000 Exoplaneten verschiedenster Art bekannt. Worauf fokussieren Sie?

Von den Planeten, die wir mit heutiger Technologie sehen können – die Spitze des Eisbergs –, sind die meisten grösser als die Erde und kleiner als Neptun, sogenannte Super-Erden und Mini-Neptune. Diese sind im Fokus meiner Arbeit. Sie sind spannend, weil sie in unserem Sonnensystem nicht vorkommen, obwohl sie in anderen Systemen so häufig sind. Ist unser Sonnensystem also irgendwie besonders? Ich möchte wissen, woraus Super-Erden und Mini-Neptune bestehen. In der Vergangenheit waren die Modelle, die wir in der Exoplanetenforschung benutzt haben, recht einfach: Verschiedene Gas- und Gesteinsschichten sind getrennt voneinander und chemisch inaktiv. In den letzten fünf Jahren hat man gemerkt, dass diese Welten komplexer sind: Wasser und andere Gase sind nicht völlig getrennt vom Gesteinsinneren. In meiner Forschungsgruppe geht es darum, komplexere Modelle für Planeten zu bauen, die deren Atmosphäre mit dem tiefen Inneren koppeln. Dabei ist die Erde für mich ein sehr wertvoller Informationsträger; sie ist der Planet, den wir mit Abstand am besten kennen. Was wir hier messen, können wir zur Überprüfung unserer Modelle nutzen. Die Erde ist somit Benchmark und Inspirationsquelle.

Das grosse Interesse an Exoplaneten hängt ja damit zusammen, dass die Menschheit wissen möchte, ob es andernorts im Universum Leben gibt. Gucken Sie für uns in die Glaskugel, bitte!

Wir werden Leben auf anderen Planeten finden. Zumindest Indikatoren für eine Biosphäre. Ich könnte mir etwa vorstellen, dass wir eine Gaszusammensetzung finden, deren Ungleichgewicht biologischen Ursprungs sein muss. Oder dass wir im Spektrum eines Exoplaneten eine für Pflanzen charakteristische Rückstrahlung entdecken. Was ich ausschliesse, ist, dass wir zu Exoplaneten reisen werden. Mit heutiger Technologie würde es 100 000 Jahre dauern, den nächsten Exoplaneten zu erreichen. Man könnte jetzt sagen: «Wir werden nie einen Exoplaneten betreten, also who cares?» Aber nur schon den Gedanken, dass ich vielleicht einmal irgendwohin zeigen und zu meinen Kindern sagen kann: «Dort gibt es wahrscheinlich Leben!», finde ich so faszinierend, dass er mir als Motivation bei Weitem ausreicht.