Talente 2025
Talente 2025
Sozialstipendien

Zwischen Baustelle und Hönggerberg

von Isabelle Vloemans
16. September 2025
ETH Zürich Foundation, Zwischen Baustelle und Hönggerberg
Sozialstipendien

Zwischen Baustelle und Hönggerberg

von Isabelle Vloemans
16. September 2025

Weil Samuel Arm auf dem Bau nicht nur mitarbeiten, sondern mitgestalten wollte, zog es ihn zum Architekturstudium. Ein Sozialstipendium räumte ihm dabei einige, aber nicht alle Steine aus dem Weg.

«Ins Gymnasium bin ich, weil ich gute Noten hatte. Während der Ferien jobbte ich immer auf dem Bau, was mir sehr gefiel. Mit der Matura im Sack absolvierte ich deshalb eine verkürzte Malerlehre, die Berufsschule fiel für mich ja weg. Weil mich eigentlich alles interessierte, was auf der Baustelle passierte, und ich merkte, dass ich dort gerne einmal in federführender Position wäre, kam mir der Gedanke, Architektur zu studieren. Aufgewachsen in Utzenstorf in der Nähe von Burgdorf reizte mich der Umzug nach Zürich und ich sah die ETH als Riesenchance. Die finanzielle Lage meiner Eltern war nach deren Trennung allerdings angespannt. Es war klar, dass es ohne Stipendium sehr schwierig für mich würde, mein Studium zu finanzieren, obwohl ich ein bisschen gespart hatte. Zum grossen Glück habe ich von der ETH ein Sozialstipendium erhalten.

Kompetitives Studium

Zu Beginn des Studiums war ich komplett überfordert. Von der Baustelle auf den Hönggerberg katapultiert zu werden, war eine sehr eindrückliche Erfahrung. Mir war im Vorfeld nicht bewusst, wie kompetitiv das Architekturstudium an der ETH sein würde. Im ersten Semester fragte ich mich ein paar Mal, ob ich am richtigen Ort bin. Allmählich entstanden Freundschaften, ich lernte sehr viel dazu und gewann immer mehr Freude an der Sache. Die Zeit vor den Schlussabgaben zweimal im Jahr, während derer wir jeweils fast 24/7 auf dem Hönggerberg waren, bedeutete zwar immer viel Stress, aber wenn man sein Projekt dann präsentieren konnte, war das cool.

Was ich unterschätzt hatte, waren die Ausgaben für Modelle, Planplots und Exkursionen, die im Architekturstudium anfallen. Neben meinen allgemein knappen Finanzen ein weiterer Grund, dass ich in den Semesterferien zu 100 Prozent arbeiten musste. Viele meiner Mitstudierenden hatten vor den Prüfungen im August eineinhalb Monate Zeit zum Lernen. Ich habe jeweils nach der Arbeit in die Nacht hinein gelernt. Doch die Anzahl dieser Stunden reichte nicht aus, um alle Prüfungen zu bestehen, einzelne Prüfungsblöcke musste ich wiederholen. Im Master umging ich diese Problematik, indem ich Fächer wählte, bei denen man während dem Semester eine Arbeit statt im Sommer eine Prüfung schrieb. So konnte ich 2024 dann erfolgreich abschliessen.

Fairere Bedingungen

Die Beträge, um die es bei einem Sozialstipendium geht, mögen aus der Ferne betrachtet nicht riesig wirken. Aber die paar 1000 Franken nehmen sehr viel Druck von einer Person. Sie ermöglichen einen klaren Fokus auf das Studium. Sie helfen, wenn nicht gleiche, so doch ähnlichere Voraussetzungen für alle zu schaffen, die ein Studium absolvieren möchten. Mit Blick auf die Gesellschaft als Ganzes schliesslich tragen sie dazu bei, dass diejenigen Personen Abschlüsse machen, die vom Kopf und vom Typ her geeignet dafür sind, und nicht einfach diejenigen, die es sich leisten können.

An der ETH musste ich mich am Anfang von meiner Praxisnähe fast befreien, es ging viel stärker um das Konzeptionelle. Im Berufsleben profitiere ich nun von beiden Seiten. Mein Hintergrund hilft mir etwa im Umgang mit den Handwerkern auf der Baustelle. Bei Studio Lima, meinem heutigen Arbeitgeber, kann ich an der Art von Projekten arbeiten, die mich interessieren: Architekturprojekte, bei denen es nicht nur um ein Investment geht, sondern bei denen die Menschen im Vordergrund stehen, die den Bau einmal nutzen werden.»

Rund 120 junge Menschen wurden im akademischen Jahr 2024/25 mit einem Stipendium unterstützt.

Mit Beträgen zwischen 600 Franken und 16 800 Franken pro Jahr.