Der eigenen Endlichkeit bewusst geworden

3. Juni 2020

Ausnahmesituationen sind für Sandro Mollet nichts Neues: Der 38-jährige ETH-Alumnus, der in seinem Testament die ETH Zürich Foundation berücksichtigt, war zwei Jahre lang als UNO Militärbeobachter im Einsatz.

ETH Zürich Foundation, Der eigenen Endlichkeit bewusst geworden
© zVg
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In welcher Lebenssituation hat Sie die Coronapandemie getroffen?

Sandro Mollet – Mitten im WK (militärischer Wiederholungskurs). Als Kommandant bin ich mit unserem Bataillon in Spiez stationiert. Unser Auftrag ist es, das Labor Spiez in Zeiten erhöhten Messbedarfs – beispielsweise 1986 nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl – zu unterstützen. Weil unser diesjähriger WK mit dem Ausbruch von Corona zusammengefallen ist, sind unsere Biologen im «Echt-Einsatz» und unterstützen die Labormitarbeitenden bei der Durchführung der vielen Coronatests. Was für meine militärische Funktion von grossem Vorteil ist: Als Chemiker ist mir die Arbeit im Labor vertraut.

Davor waren Sie als UNO-Militärbeobachter im Südlibanon, in Damaskus und auf den Golanhöhen zwischen Israel und Syrien stationiert. Weshalb haben Sie sich für diese Missionen entschieden?

Sandro Mollet – Ich bin in der Region Olten aufgewachsen und habe nach dem Gymnasium an der ETH Zürich Chemie studiert. Während des Doktorats unterrichtete ich an der Kantonsschule Olten Chemie in Teilzeit. Nach mehreren Jahren als Lehrer wollte ich meinen Horizont erweitern und gleichzeitig etwas Sinnvolles tun. So bewarb ich mich im Sommer 2015 für den ersten Einsatz. Damals, mit 33 Jahren, verfasste ich mein erstes Testament.

Was bewog Sie dazu, so jung ein Testament zu verfassen?

Sandro Mollet – Dies war Teil der Checkliste, die ich vor meinem ersten Einsatz als Beobachter erhielt. Neben der Frage, ob man im Falle des Ablebens im Einsatz ein ziviles oder ein militärisches Begräbnis wünsche, enthielt die Liste auch die Empfehlung, ein Testament aufzusetzen – die Beobachter sind nahe am Geschehen und ihre Einsätze phasenweise risikoreich. In so einem Moment wird man sich der eigenen Endlichkeit sehr bewusst.

Wie kam es dazu, dass Sie die ETH Zürich Foundation in Ihr Testament aufgenommen haben?

Sandro Mollet – Ich möchte damit einen Beitrag zu mehr Chancengerechtigkeit leisten: Die einmaligen Möglichkeiten, die mir die ETH Zürich eröffnet hat, sollen auch talentierten Personen offenstehen, die ohne finanzielle Unterstützung nicht studieren könnten. Ich kontaktierte die ETH Zürich Foundation, um zu evaluieren, wie mein Anliegen am wirkungsvollsten formuliert werden kann. Hintergrund für mein Engagement ist nicht zuletzt ein persönliches Erlebnis: Während meiner Zeit als Kantilehrer in Olten erhielt eine begabte Schülerin aus einer meiner Klassen die Chance auf ein naturwissenschaftliches Praktikum an der ETH. Beinahe hätte sie es absagen müssen, weil es sich ihre Familie nicht leisten konnte, ihr für diese Woche den Zug nach Zürich zu bezahlen. Glücklicherweise fanden wir gemeinsam mit der Schulleitung eine Lösung. Diese Schülerin studierte nach dem Gymnasium erfolgreich biomedizinische Wissenschaften in Freiburg. Die Geschichte zeigt mir: Grosses Potenzial darf nicht an fehlender Förderung scheitern!

ETH Zürich Foundation, Der eigenen Endlichkeit bewusst geworden

Grosses Potenzial darf nicht an fehlender Förderung scheitern.

Sandro Mollet