Uplift - Biodiversität
Uplift - Biodiversität
Porträt

Präzision für den Planeten

von Andrea Zeller
10. September 2025
ETH Zürich Foundation, Präzision für den Planeten
© ETH Foundation / Valeriano Di Domenico
Porträt

Präzision für den Planeten

von Andrea Zeller
10. September 2025

Ghjulia Sialelli nutzt maschinelles Lernen für den Umweltschutz. Mit ihrer Forschung an der ETH will sie zum Erhalt der Biodiversität beitragen und den Klimawandel bekämpfen.

«Verlässliche Schätzungen von Wäldern und weiterer oberirdischer Biomasse sind entscheidend», erklärt Ghjulia Sialelli. «Denn sie ermöglichen, die Menge und Veränderungen von in Vegetation gespeichertem Kohlenstoff zu erfassen.» Dieser Herausforderung widmet die junge Wissenschaftlerin ihre Forschung als Fellow am ETH AI Center. Ihr Ziel ist eine hochaufgelöste und interpretierbare globale Biomassekarte, die mehrere Jahre umspannt.

Ein Modell für mehr Kontrolle

Derzeit verfügbare Datensätze zu oberirdischer Biomasse konzentrieren sich meist auf spezifische Regionen oder sind nur in tiefer Auflösung vorhanden. Dies macht eine genaue Einschätzung der Kohlenstoffvorräte schwierig. «Um CO2-Vorgaben zu erreichen, setzen viele Firmen auf Emissionskompensation. Sie kaufen CO2-Zertifikate von Anbietern, die mit den Geldern Klimaschutzprojekte unterstützen, zum Beispiel Aufforstung», führt Ghjulia Sialelli aus. «Weil wir aber die Vorräte nicht genau überwachen können, ist es sehr schwierig, die Umsetzung solcher Massnahmen zu evaluieren.» Ihr Modell könnte diesen Handel weniger fehleranfällig machen, da der Status der Vegetation so genauer beurteilt und über mehrere Jahre verfolgt werden kann. Zudem liefert es wichtige Anhaltspunkte zum gezielten Schutz von Biodiversität, indem abgeschätzt werden kann, wie viel Biomasse verloren ginge, wenn ein Wald abgeholzt würde.

Für die Erstellung ihres Modells nutzt die Doktorandin frei zugängliche Fernerkundungsdaten von Satelliten wie Sentinel-2. Der Erdbeobachtungssatellit der Europäischen Weltraumorganisation ESA liefert regelmässig neue Bilder für jede Region der Erde. Diese Daten ergänzte Ghjulia Sialelli mit Daten von Radarsatelliten, globalen Landbedeckungskarten, Baumhöhenkarten sowie Referenzdaten der NASA. «Die Qualität der Daten ist entscheidend. Wenn die Datengrundlage nicht stimmt, kann auch das beste Modell keine zuverlässigen Ergebnisse liefern», betont Ghjulia Sialelli. Anschliessend entwickelte sie verschiedene maschinelle Lernverfahren und erarbeitete erste Basismodelle. In einem nächsten Schritt konzentriert sie sich nun darauf, diese schrittweise zu verbessern – etwa durch eine präzisere Abbildung von Unsicherheiten.

ETH Zürich Foundation, Präzision für den Planeten
Ghjulia Sialelli arbeitet mit Satellitendaten und maschinellen Lernmethoden an Modellen für globale Biomassekarten in hoher Auflösung.
© ETH Foundation / Valeriano Di Domenico
Ghjulia Sialelli erzählt im Video, was sie an ihrem Forschungsfeld begeistert und warum sie sich dafür engagiert.
© ETH Foundation

Eine kritische Haltung fördern

An die ETH Zürich kam Ghjulia Sialelli, die aus Korsika stammt, für ein Austauschsemester bereits während ihres Bachelor an der École polytechnique in der Nähe von Paris. Die aktive Community und die vielfältige Forschung im Bereich Nachhaltigkeit begeisterten sie, und sie entschied sich für ein Master-Studium in Informatik in Zürich.

Im interdisziplinären ETH-Kurs «AI for Good» lernte sie UZH-Professor Jan Dirk Wegner kennen, der später zusammen mit Konrad Schindler, ETH-Professor für Photogrammetrie und Fernerkundung, ihre Masterarbeit betreute. Gegen Ende ihres Studiums erhielt Ghjulia Sialelli das Angebot, ihre Forschung im Rahmen eines Doktorats weiterzuentwickeln. Sie bewarb sich für ein von der Dieter Schwarz Stiftung gefördertes Fellowship am ETH AI Center und wurde angenommen. «Durch das Fellowship bin ich Teil eines inspirierenden Netzwerks, wovon meine Arbeit stark profitiert. Zudem ist es eine wertvolle Bestätigung für die Qualität meiner Forschung», beschreibt sie.

Dass künstliche Intelligenz grosses Potenzial birgt für Fragestellungen in Umwelt, Medizin oder humanitärer Hilfe, ist für die junge Forscherin klar. Gleichzeitig ist ihr wichtig, aktuelle Entwicklungen kritisch zu hinterfragen. «KI ist ein sehr leistungsfähiges Werkzeug, dessen Anwendung auch negative Auswirkungen haben kann», ist sie sich sicher. Sie selbst setzt bei ihrer Forschung wo möglich auf kleinere Modelle, die weniger Rechenleistung benötigen und ressourcenschonender sind.

Engagement für die Umwelt ist der jungen Frau auf allen Ebenen ein grosses Anliegen, sei es als ehemalige Präsidentin des Studentischen Nachhaltigkeitskomitees oder als Organisatorin des AI + Environment Summit: «Meine Generation ist mit der Klimakrise aufgewachsen. Für mich ist es selbstverständlich, dass ich bewusst lebe.» Ghjulia Sialelli hofft, mit ihrem Modell zum Monitoring der Biomasse auch die politische Entscheidungsfindung zum Erhalt der Biodiversität zu unterstützen – und so langfristig zu Lösungen gegen den Klimawandel beizutragen.

AI-Fellowship-Programm

Forschungsstipendien für international herausragende Doktorandinnen und Postdoktoranden bilden einen der Hauptpfeiler des ETH AI Center. Die Schwerpunkte der ausgewählten Personen reichen dabei von der Grundlagenforschung bis hin zu Anwendungen beispielsweise in Robotik, digitaler Gesundheit, Lernwissenschaften oder Sprachverarbeitung. Die Fellowships werden zu einem grossen Teil durch Donationen ermöglicht.

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