Uplift - Grundlagenforschung
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ETH AI Center Fellowship

Talente für fortschrittliche KI

von Helga Rietz
30. Juni 2025
ETH Zürich Foundation, Talente für fortschrittliche KI
© Illustration: Teodora Petre
ETH AI Center Fellowship

Talente für fortschrittliche KI

von Helga Rietz
30. Juni 2025

Ein Doktorat am ETH AI Center bietet die einmalige Gelegenheit, von gleich zwei führenden Forschenden betreut zu werden – eine Konstellation, die echtes interdisziplinäres Arbeiten ermöglicht. Paola Malsot und Riccardo De Santi, zwei durch die Dieter Schwarz Stiftung geförderte Fellows, verkörpern diesen Geist.

Mit Hintergründen in Biowissenschaften, theoretischer Physik, Datenwissenschaft und Informatik nutzen zwei aktuell durch die Dieter Schwarz Stiftung geförderte ETH-Talente künstliche Intelligenz (KI, engl. AI), um bahnbrechende Anwendungen mit möglicherweise transformativem Charakter zu entwickeln.

ETH Zürich Foundation, Talente für fortschrittliche KI
© ETH AI Center / Jasmin Frei

Das Potenzial der räumlichen Transkriptomik freisetzen

Paola Malsots akademischer Werdegang spiegelt ihre Neugierde für die Wissenschaft wider. Nach ihrem Bachelor-Abschluss in Biowissenschaften an der EPFL erwarb sie ebendort einen Master in theoretischer Physik und fertigte die Abschlussarbeit an der ENS Paris an. «Ich fühlte mich aus meinem Interesse für den medizinischen Bereich heraus zu den Biowissenschaften hingezogen, mochte aber auch die theoretischen Aspekte der Physik», erklärt sie. Ein Forschungsaufenthalt als Datenwissenschaftlerin im Labor für Virologie und Genetik an der EPFL gab ihr die Möglichkeit, beides zu kombinieren, und führte sie Ende 2023 als Fellow ans ETH AI Center.

Paola befasst sich mit der räumlichen Transkriptomik, einer neuartigen molekularbiologischen Technik, die Genexpressionsmuster in Gewebeproben kartiert und dabei den räumlichen Kontext beibehält. Dadurch können Forschende untersuchen, wie Tumore mit den sie umgebenden Immunzellen interagieren – ein entscheidender Schritt zur Entwicklung wirksamerer Krebsbehandlungen. Die Technologie ist jedoch mit erheblichen Herausforderungen verbunden: «Die Daten sind unglaublich verrauscht, was es schwierig macht, sie aufzubereiten, zu analysieren und mit anderen Datensätzen zu kombinieren», erläutert Paola. Ihre Arbeit umfasst die Entwicklung von KI-gesteuerten Methoden zur Identifizierung und Korrektur von Artefakten, die dazu beitragen, das volle Potenzial dieses leistungsstarken Instruments zu erschliessen. Während KI bei der Verarbeitung natürlicher Sprache bereits erhebliche Fortschritte gemacht habe, bleibe ihre Anwendung auf biologische Daten eine Herausforderung, sagt Paola. «Large Language Models funktionieren so gut bei Texten, weil Sprache von Natur aus strukturiert und von Menschen bereinigt ist», stellt sie fest. «Biologische Daten hingegen sind unübersichtlich und komplex. Wir stehen noch am Anfang, aber die KI könnte unser Verständnis der Biologie in den kommenden Jahren nachhaltig verändern.»

Das Fellowship am ETH AI Center und die Co-Betreuung durch Professor Gunnar Rätsch und Professorin Valentina Boeva bieten Paola ein bereicherndes Forschungsumfeld. «Die beiden Labore haben unterschiedliche Forschungskulturen, und es hat eine Weile gedauert, sich daran zu gewöhnen», sagt sie. «Aber jetzt sehe ich es als Vorteil – so habe ich das Beste aus beiden Welten.»

ETH Zürich Foundation, Talente für fortschrittliche KI
© ETH AI Center / Jasmin Frei

Wahrhaft kreative KI für wissenschaftliche Entdeckungen

Riccardo De Santi kam im Dezember 2023 als Doktorand ans ETH AI Center. Seine Forschung erstreckt sich sogar über drei Labore, in denen er unter der Anleitung von Professorin Niao He und der Professoren Andreas Krause und Kjell Jorner arbeitet. Genau wie Paola fand er es anfangs schwierig, die verschiedenen Forschungskulturen und «Sprachen», die in diesen Labors gesprochen werden, aufeinander abzustimmen. «Aber jetzt bin ich sehr glücklich», betont er.

Obwohl er sich noch in einem frühen Stadium seiner Forschungskarriere befindet, ist Riccardos langfristiges Ziel klar: «Ich möchte als Forscher eine Identität entwickeln, die einzigartig ist», sagt er. Seine Arbeit bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Informatik und synthetischer Chemie. Insbesondere entwickelt er KI-Algorithmen, die riesige Gestaltungsräume zu erforschen helfen, etwa bei der Suche nach neuen Arzneimitteln oder der Entwicklung neuer Materialien. Dafür sind KI-Modelle notwendig, die nicht nur bestehendes Wissen neu kombinieren, sondern echte Kreativität entfalten. Aktuelle generative Modelle, etwa die grossen Sprachmodelle, erzeugen Kombinationen bekannter Elemente, aber kaum je etwas wirklich Innovatives.

In einer seiner jüngsten Arbeiten zeigt Riccardo, wie man generative Modelle so steuert, dass das Moment der «Überraschung» – in einem mathematischen Sinn – optimiert wird. So führt er die KI-Modelle in unerforschte Bereiche und lässt sie dort aktiv nach dem Unbekannten suchen. Das macht sie zu leistungsstarken Werkzeugen zur Beschleunigung wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Neue Katalysatoren, Medikamente und Materialien mit spezifischen Eigenschaften könnten mit dieser Methode erheblich leichter und schneller gefunden werden. Riccardo sieht aber auch Anwendungen jenseits der Chemie – etwa in der Architektur oder im Industriedesign. Zum Beispiel, indem sie hilft, den Materialverbrauch eines Projekts zu minimieren oder eine gewünschte Struktur besonders effizient zu gestalten. «Wir sind gerade erst dabei, die theoretischen Grundlagen für eine neue Klasse von KI-Methoden zu schaffen», erklärt er. «Im Moment sieht es so aus, als könnten die ersten Anwendungen in der Katalysatorsynthese liegen, aber langfristig könnten solche KI bei einer Vielzahl von Herausforderungen unterstützen.»

Mit der rasanten Annäherung von KI und Biologie ebnen Forschende wie Paola Malsot und Riccardo De Santi den Weg für Durchbrüche, die die KI-getriebene Forschung neu definieren könnten. Das von der Dieter Schwarz Stiftung ermöglichte Fellowship des ETH AI Center bietet einen idealen Rahmen für solche Pionierarbeit – es fördert die interdisziplinäre Zusammenarbeit und verschiebt die Grenzen des Möglichen in der Wissenschaft.

ETH Zürich Foundation, Talente für fortschrittliche KI
© Fotoatelier M

«Im Rahmen unserer langfristigen Partnerschaft mit der ETH Zürich fördern wir auch Talente im Bereich KI – für eine verantwortungsvolle digitale Transformation.»

Reinhold Geilsdörfer
Geschäftsführer Dieter Schwarz Stiftung