Uplift - Biodiversität
Uplift - Biodiversität
Förderprojekt

Biologische Vielfalt verlässlich messen

von Andrea Zeller
10. September 2025
ETH Zürich Foundation, Biologische Vielfalt verlässlich messen
Loïc Pellissier ist Professor für Ökosysteme und Landschaftsevolution an der ETH Zürich und der WSL und erforscht den Zusammenhang von Landschaftsentwicklung und Biodiversität.
© Karma Sherub
Förderprojekt

Biologische Vielfalt verlässlich messen

von Andrea Zeller
10. September 2025

Die an der ETH Zürich initiierte Initiative WildinSync misst den globalen Puls der Biodiversität – mit eDNA, Satellitendaten und künstlicher Intelligenz.

Die Artenvielfalt auf der Erde ist riesig und sorgt für gesunde, stabile Ökosysteme, sauberes Wasser, fruchtbare Böden und variantenreiche Nahrungsquellen. Doch diese Artenvielfalt ist in Gefahr: Die Zerstörung hochwertiger Lebensräume, Übernutzung, die Umweltverschmutzung und zunehmend der Klimawandel sind Hauptursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt. Allein in der Schweiz sind über ein Drittel der Arten und mehr als die Hälfte der Lebensraumtypen gefährdet. Regierungen und private Akteure weltweit arbeiten mit lokal angepassten Massnahmen daran, die Biodiversität zu erhalten. Um diese Massnahmen verlässlich beurteilen zu können, werden stichhaltige Indikatoren benötigt. Das Projekt WildinSync, geleitet von ETH-Professor Loïc Pellissier, setzt genau da an.

Genetische Spuren verfolgen

Im Zentrum steht das Ziel, Veränderungen der biologischen Vielfalt an Land und im Wasser weltweit zu dokumentieren. Die Schlüsseltechnologie dazu heisst eDNA (environmental oder Umwelt-DNA): genetische Spuren, die Organismen in ihrer Umgebung hinterlassen und die über grosse Distanzen nachweisbar sind. Im Gegensatz zu bisherigen Methoden ermöglichen eDNA-Proben, den genetischen Fingerabdruck ganzer Ökosysteme zu erheben. Ergänzt durch Satellitenbilder und KI-gestützte Datenanalyse können Informationen so mit sehr hohem Detaillierungsgrad bereitgestellt werden.

ETH Zürich Foundation, Biologische Vielfalt verlässlich messen
Während der ersten Feldkampagne von WildinSync im kolumbianischen Nationalpark Puracé sammelten Forschende Wasserproben für eDNA, um die Biodiversität der Region zu erkunden.
© Loïc Pellissier

«Technologie allein reicht nicht. Wir brauchen ein internationales Netzwerk, das Wissen teilt und gemeinsam Verantwortung übernimmt.»

Professor Loïc Pellissier

Neben der Weiterentwicklung der Erhebung und Analyse der eDNA strebt die Initiative den Aufbau eines globalen Netzwerks aus Forschenden und Interessenvertretern an, um den Zustand der Biodiversität an verschiedensten Standorten auf der ganzen Welt zu messen und zu überwachen – in Echtzeit und über Grenzen hinweg. «Technologie allein reicht nicht. Wir brauchen ein internationales Netzwerk, das Wissen teilt und gemeinsam Verantwortung übernimmt», betont Loïc Pellissier, dessen Gruppe für Ökosysteme und Landschaftsevolution an der ETH Zürich und der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL den Zusammenhang zwischen Landschaftsentwicklung und Biodiversität erforscht.

Schon heute arbeitet das Projekt mit Partnerinstitutionen auf vier Kontinenten zusammen – von Kolumbien bis Bhutan. Dieses Netzwerk soll bis 2030 auf über 50 Länder ausgeweitet werden. WildinSync baut zudem Kapazitäten auf, um die Datenerhebung breit zugänglich zu machen und Abhängigkeiten zu vermeiden. Denn nur wenn Fachwissen und Infrastruktur weltweit geteilt werden, kann Biodiversitätsmonitoring dezentral, langfristig, gerecht und auf Augenhöhe funktionieren – besonders in Regionen, die bisher kaum in globale Forschungsnetzwerke eingebunden oder nicht ausreichend in Entscheidungen einbezogen wurden.

Frühwarnsystem für die Artenvielfalt

WildinSync will die an der ETH entwickelten Technologien wie eDNA-Probenentnahme und Analysegeräte sowie Know-how zum Betreiben von Biobanken für Forschende weltweit zugänglich machen und eine gemeinsame Datenbank aufbauen. Neben eDNA-Proben aus Flüssen, Seen oder Böden liefern Satellitendaten wichtige Informationen zu Veränderungen der Vegetation, beispielsweise zur Abholzung von Wäldern oder der Ausdehnung von Städten. Mithilfe der künstlichen Intelligenz können die Forschenden die riesigen Datenmengen aus eDNA- und Satellitenquellen analysieren, Muster erkennen und Vorhersagen darüber treffen, wie sich die biologische Vielfalt an den untersuchten Standorten verändern könnte.

Standardisierte, hochaufgelöste Biodiversitätsdaten an Tausenden von Stationen bieten vielfältige Anwendungen: Sie dienen als Gradmesser für den Rückgang der biologischen Vielfalt, den Ausbruch von Krankheiten oder das Auftreten von invasiven Arten. Verlässliche Daten sind entscheidend, um das Ausmass des weltweiten Biodiversitätsverlusts für die Öffentlichkeit, für politische Entscheidungsträger und für wirtschaftliche Akteure sichtbar zu machen. Daten zeigen, ob Schutzmassnahmen wirken, ob internationale Verpflichtungen eingehalten werden und wo sich Lebensräume erholen oder Vielfalt zurückkehrt. So funktioniert die Initiative WildinSync als Frühwarnsystem. «Die Natur ändert sich nicht von einem Tag auf den anderen. Wir wollen Warnsignale frühzeitig erkennen», sagt Loïc Pellissier. «Nur wer weiss, was auf dem Spiel steht, kann entsprechend handeln.»

Die Initiative WildinSync steht beispielhaft für die Wirkung, die innovative Forschung, interdisziplinäres Denken und engagierte Partnerschaften entfalten können, um den grossen ökologischen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch weitsichtige Donatorinnen und Donatoren der ETH Foundation, durch deren Beiträge die globale Überwachung der biologischen Vielfalt möglich wird, darunter 1wild Foundation, die Fondation Valery, die JAF Foundation und PostFinance.