«Philanthropie bringt mehr Power ins System»
Vera de Vries, Ingenieurin und Partnerin bei schillingpartners, verrät im Interview wie die ETH Zürich das Fundament für ihre facettenreiche Karriere legte und warum sie sich heute leidenschaftlich für die Unterstützung junger Talente einsetzt.
Wenn Sie ein neues Fach an der ETH einführen könnten, welches wäre es?
VERA DE VRIES: Industriedesign. Für viele Studierende könnte es spannend sein, ihre technischen Fähigkeiten mit Designkompetenzen zu verknüpfen.
Sie selbst haben Maschinenbau studiert. Was hat Sie daran gereizt?
Die Vielseitigkeit des Studiums – von Physik über Mathematik und Chemie bis hin zu Werkstoffkunde und Informatik. Um mein Schulfranzösisch aufzubessern, habe ich das Bachelor-Studium an der EPFL absolviert und bin später an die ETH gewechselt.
Respekt, das war bestimmt nicht einfach!
Anfangs nicht (lacht). Positiv war, dass ich mir kaum Gedanken darüber gemacht habe, was alles schief gehen könnte, und es einfach getan habe. Die beiden Hochschulen haben mich gelehrt, unter hohem Druck zu arbeiten und mit Unsicherheit umzugehen.
Der Transfer von Wissen und Technologie in die Praxis gehört sei je her zu den Aufgaben der ETH. Wie haben Sie dies während Ihres Studiums erlebt?
Professor Markus Meier (sel.) hat hier wahre Pionierarbeit geleistet. Er hat praxisnahe Fälle aus der Industrie in die Lehre integriert und Studierende für Semesterarbeiten in Unternehmen geschickt. Bei meiner Dissertation war es ähnlich: Wir mussten die Finanzierung für unsere Forschung sichern und Partnerfirmen ins Boot holen. Es war grossartig, so direkt mit der Industrie zusammenzuarbeiten.
Zog es Sie deshalb nach dem Doktorat direkt in die Praxis?
Für mich war es der richtige Zeitpunkt, das akademische Umfeld zu verlassen. Die R&D-Abteilung bei Alstom Power Service war der ideale Einstieg. Wir entwickelten und testeten mobile Roboter – es war ein hochspannendes Umfeld mit einem erstklassigen Team. Später wechselte ich zu Ansorix und Schneider Electric, wo ich die Leitung einer Geschäftseinheit mit P&L-Verantwortung übernahm, was bedeutet, dass ich für die finanziellen Ergebnisse zuständig war. Diese anspruchsvolle Arbeit hat mich sehr motiviert.
Wie erleben Sie als Frau die Arbeit in den noch immer von Männern dominierten Bereichen des Maschinenbaus und der Industrie?
Es ist eine Tatsache, dass heute noch immer zu wenige Frauen in technischen Berufen tätig sind. Persönlich fühle ich mich im Industrieumfeld sehr wohl. In meinen bisherigen Führungsrollen fand ich es wichtig, ein Arbeitsklima zu schaffen, in dem sich alle gleichermassen wertgeschätzt und unterstützt fühlen, ganz unabhängig vom Geschlecht
Heute sind Sie im Executive Search tätig. Welche Spuren hat die ETH-Ausbildung für diesen Bereich bei Ihnen hinterlassen?
Im Executive Search geht es oft darum, die richtigen Fragen zu stellen und komplexe Herausforderungen zu verstehen. Das vernetzte und analytische Denken, das ich an der ETH gelernt habe, hilft mir dabei enorm. Diese Fähigkeit ist mir in meinem gesamten bisherigen Berufsleben zugutegekommen und hat mir viele Türen geöffnet.
Gab es in Ihrer bisherigen Karriere Rückschläge, die sich rückblickend in etwas Positives drehten?
Direkt nach dem Master-Studium wollte ich ursprünglich in die Automobilindustrie einsteigen und habe mich im Ausland für Praktika beworben – jedoch ohne Erfolg. Mit dem Resultat, dass ich in der Schweiz blieb, an der ETH doktorierte und Mami wurde. Einen besseren Outcome kann ich mir heute nicht vorstellen und schöne Autos zählen nun zu meinen Hobbies (lacht).
Warum engagieren Sie sich für Talentförderung an der ETH?
Junge Talente, die globale Herausforderungen mit ihrem Fachwissen angehen möchten, verdienen jede Unterstützung! Mein Beitrag soll sie motivieren und ihnen zeigen, dass wir an ihre Fähigkeiten glauben. Das ist für mich eine wichtige Investition in die Zukunft.
Wie kann Philanthropie bei den Herausforderungen unserer Zeit helfen?
Die Schweiz zählt zu den innovativsten Ländern der Welt, und die ETH spielt dabei eine zentrale Rolle, indem sie die Zukunftsgestalterinnen und -gestalter von morgen ausbildet. Philanthropisches Engagement bringt mehr Power in das ganze System!