Am Limit
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Sie ist noch Studentin, hat aber schon ein sechzigköpfiges Team geleitet und mit diesem ein ultraeffizientes Solarauto für ein Rennen in Australien entwickelt: die Exzellenz-Stipendiatin Clara Nörenberg über eine Erfahrung fürs Leben.
Du bist in England aufgewachsen und hast deinen High-School-Abschluss in Oxford gemacht – weshalb absolvierst du dein Maschinenbaustudium an der ETH Zürich?
CLARA NÖRENBERG – Ich habe die ETH damals im Rahmen von Studieninformationstagen besucht. Beim Maschinenbau wurden Studierendenprojekte vorgestellt. Diese Projekte zu sehen, war ausschlaggebend für meine Wahl, an den englischen Unis fand ich nichts Vergleichbares. Zudem war der Vorlesungsplan an der ETH strenger, auch das sprach mich an. Es braucht eben beides: Ausgehend von den Theoriegrundlagen kannst du in den Projekten deine Ingenieursintuition weiterentwickeln.
Wie bist du zur Projektleiterin von aCentauri geworden, dem studentischen Team, das nun schon zweimal an der World Solar Challenge quer durch Australien teilgenommen hat?
Bereits während des Bachelor-Studiums arbeitete ich am Projekt mit. Als ich vom ersten Rennen nach Hause kam, war ich super motiviert, das Projekt zu leiten, und weil ich als eine der wenigen vom alten Team weitermachen wollte, war ich die offensichtliche Kandidatin. Hinzu kommt: Führungsverantwortung geht mit organisatorischen Pflichten einher. Viele meiner Teamkolleginnen und -kollegen lieben die technische Herausforderung, das Organisatorische hingegen weniger.
© aCentauri Solar Racing
«Der Schritt zwischen ‹etwas entwerfen› und ‹ein System zum Laufen bringen› ist sehr gross. Wer bei einem Projekt wie aCentauri mitmacht, zeigt, dass er diesen Schritt machen kann.»
Was hast du im vergangenen Jahr über Teamarbeit und ‑führung gelernt?
Alles steht und fällt mit dem Team. Wenn man ein Team leitet, muss man den Überblick behalten und delegieren können. Kommunikation oder die Frage, wie man mit anderen Leuten umgeht, ist das A und O. Damit zusammen hängt das Thema Vertrauen. Die Leitung muss dem Team vertrauen und das Team der Leitung. Alle müssen sich zudem sicher sein, dass jeder sein Bestes gibt, und sich nicht ärgern, wenn sich andere mehr Auszeit nehmen. Eine weitere lehrreiche Erfahrung war, dass es häufig nicht darum geht, was du weisst, sondern wie du deine Ressourcen nutzt. So haben wir mehrfach unsere Sponsoren kontaktiert, wenn diese spezifische Expertise hatten, die uns fehlte, z.B. zu Batteriesystemen. Schliesslich: Wie findet man Kompromisse? Eine wichtige Erkenntnis für mich war: Die technisch beste Lösung ist nicht unbedingt die beste Lösung für das Projekt, das Team muss on board sein. Wer eine Lösung ausführt, führt diese womöglich weniger effizient aus, wenn er nicht motiviert ist.
Und was nimmst du an Hard Skills aus dem Projekt mit?
Ich habe gelernt, wie man ein funktionierendes Solarauto baut, und nehme ein Grundverständnis sowohl der elektrischen als auch der mechanischen Seite mit. Anfänglich war ich Teil des Unterteams, das sich mit dem Cockpit befasste, welches aus karbonfaserverstärkten Kunststoffen besteht. Dabei habe ich gelernt, mit diesem Werkstoff zu konstruieren und zu bauen. Zudem habe ich mir Fertigkeiten im Bereich Aerodynamik angeeignet.
Inwiefern eignet sich ein Projekt wie aCentauri dafür, die Grenzen von Technologien zu erforschen?
Dadurch dass es kein Auto für den alltäglichen Gebrauch ist, sondern es darum geht, das schnellste, zuverlässigste und sicherste Solarauto zu bauen, kann man ohne ein Marktpotenzial im Blick Grenzen pushen. Man nutzt die besten Solarzellen, auch wenn es die teuersten sind. Man versucht, alles zu optimieren, auch wenn sich das in der realen Welt nicht lohnen würde, und findet so raus, was möglich ist. Man muss auch nicht darauf achten, wie das Auto aussieht, was auf dem Markt einer der relevantesten Faktoren ist.
Seid ihr bei dem Projekt auch an persönliche Leistungsgrenzen gestossen?
Es war sicher für viele von uns eine Zeit der Extreme. Es ist bekannt, dass die Projekte ein einmaliges Lernerlebnis bieten. Nur deshalb finden sich überhaupt sechzig Personen, die bereit sind, neben dem ohnehin schon intensiven ETH-Studium bei einem so komplexen Projekt mitzumachen, teilweise ohne dafür einen einzigen ECTS-Punkt zu erhalten. In der intensivsten Phase haben einzelne Teammitglieder 60 bis 80 Stunden pro Woche in das Projekt investiert.
Für die 3000 Kilometer habt ihr dieses Mal 44,7 Stunden benötigt und seid 11. von 26 Teams geworden – zufrieden?
Wir waren sechs Stunden, das heisst mehr als zehn Prozent, schneller als vor zwei Jahren. Unsere Effizienz war ungefähr so gut wie die der Topteams. Das zeigt, wie viel Fortschritt wir gemacht haben. Wir wissen aber auch, was wir für das nächste Auto verbessern müssen.
Wie geht es weiter?
Es haben sich bereits mehrere Teammitglieder aus dem diesjährigen Projekt gemeldet, die weitermachen und in zwei Jahren wieder an der Challenge teilnehmen wollen. Ich werde aCentauri in einer beratenden Rolle erhalten bleiben. Und ich habe so eine Ahnung, dass Solarautos auch darüber hinaus eine Rolle in meinem Leben spielen werden.
Projektbasiertes Lernen an der ETH
An der ETH Zürich sollen Studierende früh Praxiserfahrung in realitätsnahen Projekten sammeln können. Initiativen und Formate wie die Fokusprojekte, das Center for Project-Based Learning oder das Student Project House wurden in den letzten Jahren stark ausgebaut und werden künftig weiter gestärkt. Damit erhalten die Studierenden die Möglichkeit, zu lernen, theoretisches Wissen in praxisrelevante Lösungen zu übersetzen.