Wie lehrt die ETH, was in der Praxis zählt?
© Galenica
© Dr. Bähler Dropa
Wie lehrt die ETH, was in der Praxis zählt?
Die Pharmazie befindet sich im Wandel und mit ihr die Anforderungen an künftige Fachkräfte. Mit der Professorship of Practice in Pharmazie stärkt die ETH Zürich den Praxisbezug im Studium. Die beiden ETH-Alumni Daniele Madonna (Galenica) und Sandra Schatzmann-Bähler (Dr. Bähler Dropa) haben dieses Vorhaben gemeinsam mit Partnern aus der Branche massgeblich vorangetrieben.
Herr Madonna, Frau Schatzmann – wie baut man eine Brücke vom ETH-Hörsaal in die Apotheke?
SANDRA SCHATZMANN-BÄHLER – Ich denke, es ist enorm wichtig, dass die ETH – mit all dem Fachwissen, das sie vermittelt – den Praxisbezug im Pharmaziestudium stärkt. Wenn Studierende erleben, wofür sie lernen, sind sie doppelt so motiviert.
DANIELE MADONNA – Ich erinnere mich gut daran, wie sehr es mich begeisterte, als während meines Studiums die Praxis dazukam. Ich verstand besser, warum ich mich so intensiv mit Chemie, Biologie oder Pharmakologie beschäftigen musste. Solche Momente sind wie Lichtblicke – sie bestätigen einem, dass man auf dem richtigen Weg ist. Diese Brücke gelingt nur, wenn wir praxisnahe Beispiele in die Ausbildung einbeziehen – und Dozierende, die wissen, wie der Markt funktioniert.
Sie beide haben an der ETH Pharmazie studiert. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit dieser Zeit?
DM – Sehr viele – und fast alle sind positiv! (lacht) Die ETH war streng, aber prägend. Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Tag: Der Rektor erklärte uns damals, dass wir an der ETH von den besten Professorinnen und Professoren lernen könnten, dafür aber auch wirklich Gas geben müssten. Diese Mischung aus Anspruch und Vertrauen begleitet mich bis heute.
SS – Bibbern und Bangen gehörten zum Studium dazu! Heute ist die ETH viel internationaler, offener, vernetzter. Früher war Pharmazie oft das Studium für jene, die nicht Medizin studieren wollten, aber sich möglichst viele Wege offenhalten wollten, etwa in die Industrie oder Wirtschaft. Heute ist das Feld noch breiter und das ist wunderbar.
Pharmacies BENU, die Medbase Apotheken, Dr. Bähler Dropa und Galenica mit ihren Apotheken Amavita, Sun Store und Coop Vitality (ein Joint Venture mit Coop) ermöglichen gemeinsam die Professorship of Practice in Pharmazie an der ETH. Warum dieses Engagement?
DM – Die Rolle der Apotheken verändert sich stark: Sie übernehmen zunehmend Aufgaben im Gesundheitswesen, etwa beim Impfen, in der Prävention oder der Beratung. Gerade in Zeiten der Digitalisierung wird auch das Menschliche wieder wichtiger. Wenn ich krank bin, brauche ich nicht nur Information, sondern jemanden, der mich versteht. Diese Empathie kann keine KI ersetzen. Damit die Studierenden optimal auf diese neue Berufsrealität vorbereitet werden, ist es von unschätzbarem Wert, wenn sie nicht nur von wissenschaftlichen Koryphäen lernen können, sondern auch von erfahrenen Führungspersonen aus der pharmazeutischen Praxis. Aus dieser Überzeugung heraus haben sich vier Apothekenketten zusammengeschlossen, um die Professur gemeinsam zu ermöglichen – weil es nicht um einzelne Interessen geht, sondern um die Gestaltung der Pharmazie der Zukunft in der Schweiz.
«Praxisnähe ist ein zentraler Teil exzellenter Lehre. Dank der Unterstützung unserer Partner können wir Studierende gezielter darauf vorbereiten, ihr Know-how dort einzusetzen, wo es zählt – in der Gesellschaft.»
Professorin für Pharmazeutische Immunologie, ETH Zürich
Was war die Initialzündung dafür?
SS – Auffallend ist, dass sich immer weniger ETH-Studierende für eine Karriere in der Apotheke entscheiden. Deshalb haben wir das Gespräch mit der ETH gesucht. Mit Cornelia Halin Winter, bis August 2025 Studiendirektorin des Pharmazie-Masterstudiums, fanden wir eine Professorin, die für unser Anliegen offen war. Gemeinsam haben wir nach Lösungen gesucht, wie sich die Praxis stärker in das Studium integrieren lässt. So entstand die Idee, die Professorship of Practice zu schaffen.
DM – Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Apotheken als niederschwelliger Zugang ins Gesundheitswesen sind. Wir waren da, als andere geschlossen hatten. Das hat vielen bewusst gemacht, was Apothekerinnen und Apotheker für unsere Gesellschaft leisten. Das wollen wir weiter fördern und sichtbar machen.
Was bedeutet es Ihnen persönlich, als Förderer an die ETH zurückzukehren?
SS – Für mich ist es eine Herzensangelegenheit. Wir möchten den praxisbezogenen Teil der Ausbildung wieder stärken, so wie wir ihn damals selbst erleben durften. Die Studierenden sollen spüren können, wie spannend und relevant Berufe in der Pharmazie sind. Und umgekehrt bringt die Praxis wertvolle Impulse zurück in die Forschung.
Was wünschen Sie sich für die nächste Generation von ETH-Studierenden?
DM – Dass sie eines Tages sagen können: «Ich würde wieder genau dasselbe Studium wählen.» Dann hätten wir alles richtig gemacht.
«Der Praxisbezug begeistert die Studierenden – das sehe ich an ihrer aktiven Teilnahme während der Vorlesungen und dem grossen Interesse an praxisnahen Masterarbeiten.»
Christina Ruob
Professor of Practice in Pharmazie, ETH Zürich
Starke Partnerschaft
Mit der Professorship of Practice in Pharmazie stärkt die ETH Zürich den Austausch zwischen Forschung, Lehre und beruflicher Praxis. Ermöglicht wird die Professur durch die wertvolle Unterstützung von Pharmacies BENU, den Medbase Apotheken, Dr. Bähler Dropa und Galenica.
Im Mai 2025 ernannte die ETH Zürich Dr. Christina Ruob als «Professor of Practice» in Pharmazie am Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften. Ab dem Herbstsemester 2025 können Studierende bereits drei Vorlesungen bei ihr besuchen. Zudem übernimmt Christina Ruob die Betreuung von Masterarbeiten, die praxisnahe Fragestellungen behandeln.