Über drei Generationen mit der ETH verbunden

6. Dezember 2021

Wer mit den Architektinnen und ETH-Gönnerinnen Erica und Lea Rickenbacher über ihr Studium spricht, erhält spannende zeitgeschichtliche Einblicke. Lea Rickenbachers Berufspraxis hingegen führt zu ganz gegenwärtigen Fragen.

ETH Zürich Foundation, Über drei Generationen mit der ETH verbunden
Auf Streifzug am ehemaligen Studienort Campus Hönggerberg. Im Hintergrund ein Studierendenprojekt der Professur für Architektur und Konstruktion von Annette Spiro.
© ETH Foundation / Das Bild
Auf Streifzug am ehemaligen Studienort Campus Hönggerberg. Im Hintergrund ein Studierendenprojekt der Professur für Architektur und Konstruktion von Annette Spiro.
© ETH Foundation / Das Bild

Wie ist Ihnen Ihre Studienzeit in Erinnerung?

Erica Rickenbacher – Ich wuchs in einem Baumeisterhaushalt auf, in dem viel diskutiert wurde und die moderne Architektur quasi ein- und ausging. Dennoch erlebte ich das Studium als grosse Horizonterweiterung, die ETH trat mit einem «Chlapf» in mein Leben. Ich studierte in der bewegten 68er Zeit, die Architekturabteilung war im Globus-Provisorium untergebracht. Die Ausbildung wurde sehr breit aufgefasst, die Soziologie war stark präsent, es wurde viel gelesen und diskutiert. Unsere gesellschaftspolitisch relevante Tat zu Beginn des Studiums war es, ein Sofa zu kaufen, auf dem wir genau dies ausgiebig tun konnten. (Lacht.)

Lea Rickenbacher – Ich habe es auch so erlebt, dass sich mit dem Studium an der ETH ein Resonanzraum auftut. Man hat hier die Möglichkeit, bei einigen der Besten weltweit zu studieren, unmittelbar am Puls der Zeit zu sein. Wir waren der erste Jahrgang, der das Zeichnen am Computer erlernte. Es war ein intensives Studium, wir haben viele Nächte durchgearbeitet. Es ist wichtig, dass es solche Räume gibt, die im Zeichen der Weiterentwicklung und von Spitzenleistungen stehen. Die ETH hat mich gelehrt, nie stehen zu bleiben.

Ihrer beider Geschichte mit der ETH beginnt aber eigentlich noch früher.

ER – In der Tat. Bereits meine Grossmutter hätte gerne studiert, sie durfte jedoch nicht. Meine Mutter durfte dann an die Hochschule. Sie entschied sich für ein Pharmaziestudium an der ETH, die Laborarbeit entsprach ihr. Hinzu kamen praktische Erwägungen: Die Arbeit in der Apotheke hatte den Vorteil, dass sie in Teilzeit möglich und somit mit einer Familie vereinbar war. Diese ausserhäusliche Tätigkeit war meiner Mutter sehr wichtig, sie hätte nicht arbeiten gehen «müssen», wie man damals noch dachte.

Weshalb sind Sie heute Gönnerinnen der ETH Zürich?

ER – Ich möchte anderen ebensolche prägenden Erfahrungen ermöglichen, wie ich sie an dieser Hochschule machen durfte.

LR – Aus Dankbarkeit und auch aus Stolz. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich ein Hochschulranking sehe. Die ETH geniesst einen weltweiten Ruf: Vor meiner Studienzeit in Zürich habe ich in New York ein Jahr lang Kunst und Design studiert und habe in dieser Zeit festgestellt, dass ich Architektur studieren möchte. Meine Dozentin meinte: «Geh doch nach Hause, die ETH ist eine der besten Architekturschulen der Welt!»

Lea, einige Jahre nach dem Studium haben Sie sich mit einer ehemaligen Studienkollegin selbständig gemacht und «Rickenbacher Zimmerli Architektur» gegründet. Was interessiert Sie an der Architektur als Beruf?

LR – Architektur hat sowohl mit Ästhetik als auch mit Funktionalität und Praxistauglichkeit zu tun und muss zudem stets «state of the art» sein. Die aktuelle Frage in der Architektur ist Nachhaltigkeit. Mit Blick auf all diese unterschiedlichen Aspekte gilt es, den optimalen Punkt zu treffen. Zudem hat Bauen eine sozialpolitische Dimension: Die Schweiz ist klein, der Raum ist endlich, unsere Gesellschaft wird älter – wie gehen wir damit um? An der ETH lernt man, in diesen Dimensionen zu denken und zu diskutieren. Diese Gespräche führen wir auch mit unseren Kundinnen und Kunden sehr gerne, für die wir hauptsächlich im Wohnungsbau tätig sind.

Sie leben selbst in unmittelbarer Nähe zueinander – welche Vorteile sehen Sie in dieser Wohnform?

ER – Ein Vorteil ist sicher, dass das Modell ermöglicht, der beruflich aktiven Generation den Rücken freizuhalten, wenn kleine Kinder zu betreuen sind. So halte ich es gemeinsam mit dem ganzen Familienverband mit Lea, und so hat es bereits meine Mutter mit mir gehalten.

LR – Die Architektur ist in den letzten Jahren immer schneller geworden. Da ist die mit dieser räumlichen Nähe verbundene Flexibilität sehr wertvoll.

Lea, Sie haben eine Tochter. Hoffen Sie, dass sie die Familientradition fortführen und ebenfalls an der ETH studieren wird?

ER – Im Scherz sagen wir manchmal tatsächlich, dass wir bereits an der vierten Generation arbeiten.

LR – Meine Tochter ist frei zu machen, was sie will. Alles, was ich ihr sagen kann, ist, dass ich es toll fand, diese Schule zu besuchen!

«Ich möchte anderen ebensolche prägenden Erfahrungen ermöglichen, wie ich sie an dieser Hochschule machen durfte.»

Erica Rickenbacher