Wie KI Kindern mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte hilft
Schon bei der medizinischen Behandlung der Kleinsten setzen führende Expertinnen und Experten heute auf die Unterstützung durch künstliche Intelligenz. So in einem gemeinsamen Forschungsprojekt der Universität Basel und der ETH Zürich.
Lippen-Kiefer-Gaumenspalten zählen zu den häufigsten Fehlbildungen bei Neugeborenen. Sie treten bei einer von 700 Geburten auf. Neben der ästhetischen Beeinträchtigung bedeuten diese Fehlbildungen für die betroffenen Kinder Probleme bei der Atmung und Ernährung sowie beim Sprechen. Behandlungsstrategien gibt es viele. Am häufigsten sind mehrstufige chirurgische Eingriffe. Die Therapie der Fehlbildung beginnt bereits vor der Operation mit der Herstellung eines individualisierten Gaumenplättchens aus Kunststoff. Dieses Plättchen wird den Kindern möglichst bald nach der Geburt eingesetzt. Das Plättchen sorgt dafür, dass die Zunge nicht länger in die Gaumenspalte gelangt und sich diese passiv verengt. Dies erleichtert den operativen Verschluss. Zur passgenauen Herstellung des Gaumenplättchens ist derzeit jedoch ein Gaumenabdruck erforderlich, der die Atmung des Kindes gefährdet.
Weniger belastende Behandlung dank KI
Ziel eines vom Botnar Research Centre for Child Health (BRCCH) in Basel unterstützten Projekts ist die Entwicklung einer schonenden und einfachen digitalen Methode zur Vermessung der Spalte und zur Herstellung einer Gaumenplatte, die möglichst vielen Kindern zugänglich sein soll. Federführend sind Andreas Müller, Mund-Kiefer-Gesichtschirurg vom Universitätsspital Basel, und Barbara Solenthaler, Senior Research Scientist am Computer Graphik Labor der ETH Zürich: «Wir erfüllen die Vision des BRCCH, neue, digital basierte Behandlungen für häufige Fehlbildungen von Kindern zu entwickeln.» Weitere Beteiligte sind Markus Gross, ETH-Professor und Direktor von DisneyResearch|Studios, sowie Partner aus Kliniken in Polen und Indien.
Möglich wird die neuartige Behandlung durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz. In einem ersten Schritt bilden die Forschenden die Gaumen vieler Patientinnen und Patienten durch Bilder und Scans ab. Diese Datensätze werden mit Scans von bereits vorhandenen Gipsabdrücken der Gaumen ergänzt. Mithilfe von KI werden diese Daten ausgewertet und dienen zur digitalen Konstruktion eines 3D-Modells: Je mehr Datensätze einfliessen, desto akkurater wird das Modell. In einem zweiten Schritt soll es später fähig sein, basierend auf wenigen Smartphone-Fotos die individuelle Spalte abzubilden. Dann soll automatisch eine passende Gaumenplatte berechnet werden, die ein 3D-Drucker herstellt.
Von Basel, Warschau und Indien in die ganze Welt
Der 3D-Druck von Gaumenplättchen ist in den beteiligten Kliniken in Basel bereits im Einsatz. Vom schnellen und günstigen digitalen Workflow sollen möglichst viele Patientinnen und Patienten weltweit profitieren, als nächstes in Warschau und im indischen Hyderabad. Ein weiterer Vorteil dieser Behandlungsstrategie: Nach Gaumenplattentherapie und Spaltverkleinerung ist der Gaumenverschluss in meist nur einer Operation zu erreichen. Dies führt zu weniger Behandlungen, eine grosse Erleichterung für die betroffenen Kinder und ihre Familien.