Philanthropie soll «empowern»
Er ist Co-Founder eines geförderten ETH-Spin-offs, ehemaliger Exzellenz-Stipendiat und Gönner der ETH Foundation: Enrico Scoccimarro spricht mit seinen 26 Jahren beim Thema Unternehmertum und Philanthropie aus eigener Erfahrung.
Du bist in Mailand aufgewachsen. Wie bist du an die ETH gekommen?
ENRICO SCOCCIMARRO – Ich habe in Mailand die Deutsche Schule besucht, eine Art Familientradition. Mir war immer klar, dass ich etwas Naturwissenschaftliches studieren würde, an den Materialwissenschaften hat mich das Interdisziplinäre gereizt. Ich wollte an einer deutschsprachigen Hochschule studieren, und von diesen liegt die ETH in den Materialwissenschaften klar an der Spitze. So habe ich hier 2013 mein Bachelorstudium begonnen.
Für das Masterstudium hast du dich erfolgreich um ein Exzellenz-Stipendium beworben.
Das war eine grosse Anerkennung. Man weiss ja in der Regel nicht, wo man im Vergleich mit den anderen Studierenden steht. Zudem war die finanzielle Unterstützung eine Erleichterung. Zürich ist eine teure Stadt, besonders wenn man aus dem Ausland kommt. Auch die Community ist sehr bereichernd; ich tausche mich noch heute regelmässig mit den anderen Stipendiatinnen und Stipendiaten aus.
Bereits vor Abschluss deines Studiums 2019 bist du beim ETH-Spin-off FenX eingestiegen. Wie kam es dazu?
Ein Freund hat für das Projekt gearbeitet und meinte, ich solle es mir anschauen. Ich bin der Meinung, dass man als Materialwissenschaftler einen Beitrag dazu leisten kann und soll, die Welt nachhaltiger zu gestalten. Deshalb fand ich die Idee hinter FenX von Anfang an spannend: ein Isolationsmaterial aus Abfall auf den Markt zu bringen, das eine hohe Leistung aufweist, nicht brennbar und zudem rezyklierbar ist. Diese mineralbasierten Schäume, auf denen unser Produkt basiert, sind eine vielversprechende, aber komplexe Welt. Nicht nur Forschende des Labs von Professor André Studart, aus dem wir kommen, auch grosse Firmen finden die Entwicklungen in diesem Gebiet sehr spannend.
Und wie positioniert ihr euch in diesem Wettbewerb?
Wir sind bisher die Einzigen, die alle zentralen Aspekte in einem Produkt vereinen: Nachhaltigkeit, Nichtbrennbarkeit, Performance und Preis. Unsere Vision geht aber viel weiter als unser erstes Produkt. Die Bauindustrie ist einer der Orte, wo am meisten CO2-Emissionen entstehen. 75 Prozent der Gebäude in Europa müssten neu isoliert werden, wenn man die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen möchte.
Ausserdem gibt es immer mehr gesetzlichen Druck und somit ein immer grösseres Interesse der Firmen daran, Bauabfälle zu rezyklieren. Aktuell sind diese ein Mix aus organischem und anorganischem Material, ein Albtraum für das Recycling. Würde man so bauen, dass Ziegel, Kleber und Verputz aus demselben mineralischen Material bestehen, könnte man einfach alle Abfälle zermahlen und beispielsweise neue FenX-Paneele daraus machen.
Was gefällt dir am Jungunternehmerdasein?
Ich lerne unglaublich viel! Mir war immer klar, dass ich eine «hybride» Person bin, nicht nur Wissenschaftler: Bei FenX kann ich als Co-Founder mit Investoren, Anwälten und Kunden sprechen. Auch die Möglichkeit, zusammen mit anderen einen Teamspirit und eine Firmenkultur zu prägen, finde ich toll.
Dein Co-Founder Etienne Jeoffroy war Pioneer Fellow, du selbst bist Gönner des Pioneer-Fellowship-Programms zur Förderung unternehmerisch ambitionierter Forschender. Weshalb?
Ob man exzellente Studierende oder Spin-offs fördert oder ob man zusätzliche Professuren ermöglicht: Das ist alles Teil der gleichen Pipeline, die der Gesellschaft am Ende etwas zurückgibt. Für mich muss Philanthropie «empowern». Deshalb halte ich ein Engagement für Bildung und Forschung für eine der sinnvollsten Weisen, sich philanthropisch zu betätigen. Hinzu kommt der Multiplikationseffekt: Die Stipendiatinnen und Stipendiaten befruchten beispielsweise ihre Forschungsgruppe, aus der Forschungsgruppe entsteht ein Spin-off und dieses wiederum schafft einen Mehrwert für die Gesellschaft und neue Arbeitsplätze.
Was braucht es, damit an der ETH möglichst viele aussichtsreiche Start-ups entstehen?
Es braucht ein Ökosystem, in dem es niederschwellige und vielfältige Möglichkeiten für Zusammenarbeit und Austausch gibt, beispielsweise auch mit Personen, die wirtschaftliche Expertise einbringen. Zudem bräuchte es mehr «Match-making»-Möglichkeiten, damit an der ETH vermehrt auch Start-ups mit Gründerinnen entstehen. Ich bin überzeugt, dass der Talentpool da ist.