«Jeder Bau verdient einen digitalen Zwilling»
Dominik Courtin, CEO des Ingenieurunternehmens Basler & Hofmann, erklärt, weshalb die Digitalisierung in seiner Branche nicht von der Produktivität getrieben wird, und spricht über seine vielfältigen Beziehungen zur ETH.
Was muss man verstehen, wenn es um die Digitalisierung im Bauwesen geht?
DOMINIK COURTIN – Dass es dabei nicht nur um das digitale Planen und Bauen per se geht, sondern um den späteren Betrieb. Ich sage immer: Jeder Bau verdient einen digitalen Zwilling, der über das klassische Projektende hinaus als Informationsquelle und als Plattform für die Kommunikation dienen kann. Er kann bei ganz einfachen Fragen helfen, wie wenn ein Wohnungsbesitzer beim Renovieren wissen möchte, wie viel Fläche Wand zu streichen ist. Oder bei komplexeren Fragestellungen, wenn etwa Umnutzungsvarianten hinsichtlich ihres ökologischen Fussabdrucks zu beurteilen sind: Um solche Fragen richtig beurteilen und steuernd eingreifen zu können, braucht es eine saubere Informationsgrundlage. Der Anspruch muss sein, dass alle Daten, die im Prozess entstehen, weiterhin verfügbar bleiben. In der Kreuzfahrt ist es bereits heute so, dass von einem neuen Schiff ein digitaler Zwilling zur Verfügung steht, der alle erdenklichen Informationen enthält. Man muss sich vor Augen führen, dass wir ein Gebäude zwei Jahre bauen und es anschliessend Jahrzehnte lang nutzen, bewirtschaften und umnutzen. Das ist meines Erachtens der springende Punkt und eben nicht die Produktivitätssteigerung bei der Planung und beim Bau, auch wenn das oft behauptet wird. Bauwerke sind Prototypen, Skalierung ist im Gegensatz zu anderen Industrien nur bedingt möglich. Bauherren rate ich, beim CAD zu bleiben, wenn sie kein Interesse daran haben, ein digitales Modell im Betrieb weiter zu nutzen.
Weshalb unterstützt Basler & Hofmann die Forschung im Bereich digitales Entwerfen, Planen und Bauen am Zentrum Design++ der ETH Zürich?
Wir unterhalten zum einen langjährige, enge Beziehungen zur ETH. So war bereits Konrad Basler Senior Mitglied des ETH-Rats, wir beschäftigen sehr viele ETH-Absolventinnen und ‑Absolventen und bieten Praktika an. Zum anderen ist das digitale Bauen ein Thema, dessen Bedeutung wir schon vor Jahren erkannt haben. Wir sind der Meinung, dass es dafür einen ganzheitlichen Ansatz braucht. Deshalb wurden wir zum «Geburtshelfer» von Design++: Als wir seinerzeit von der ETH gefragt wurden, ob wir ein Zentrum, das über departementale Silos hinweg konzipiert würde, unterstützen würden, haben wir darin sofort eine riesige Chance gesehen. Dieses interdisziplinäre Denken entspricht der Art und Weise, wie Basler & Hofmann arbeitet, voll und ganz: Bei uns arbeiten Fachleute aus über 30 Disziplinen zusammen, um Projekte in den Feldern Bauen, Mobilität, Energie, Sicherheit und Umwelt zu bearbeiten.
Wie beurteilen Sie die in diesem Kontext erfolgte Wahl von Bernd Bickel, des neuen, u. a. von Basler & Hofmann geförderten Professors für Computational Design?
Als sehr passend. Bernd Bickel bringt viel Komplementäres rein und kennt die Hochschule durch sein Studium an der ETH und seine Zeit bei Disney Research Zurich bereits sehr gut.
Seine Vision davon, wie wir mit dem digitalen Abbild unserer gebauten Welt umgehen werden, entspricht unserer Vision und passt zu den Erwartungen, die von unseren Kunden an uns gestellt werden: Wie macht man diese Dinge nicht nur verfügbar, sondern auch wirklich erlebbar? Da kann Bernd Bickel aufgrund seines Hintergrunds sehr viel einbringen – nicht umsonst hat er 2019 von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences einen Oscar für seine technischen Leistungen erhalten.
Wie ist Ihnen Ihre Studienzeit am ETH-Departement Bau, Umwelt und Geomatik (D-BAUG) in Erinnerung?
Als eine der schönsten Phasen in meinem Leben. Man war weg von zu Hause. Es kamen Studierende von überall her zusammen und verbrachten sehr viel Zeit miteinander. Das hat meinen Horizont ungemein erweitert. Es war auch sehr intensiv, wir sassen von frühmorgens bis spätabends in den Zeichensälen. Immer wieder haben wir uns gefragt, ob wir dieses Studium überhaupt schaffen würden.
Was konnten Sie aus Ihrer Ausbildungszeit für Ihren Weg mitnehmen?
Die Art des Denkens. Einer meiner Professoren sagte einmal: Ein guter Ingenieur löst ein Problem, das er vorher noch nie gesehen hat. Es geht also nicht um die Anwendung eines Rezepts, sondern man erlernt eine Art und Weise, wie man an Probleme herangeht. Diese Art, mit Dingen umzugehen, ist die grösste Errungenschaft, die ich aus der ETH mitgenommen habe.
Sie sind heute ehrenamtlich im Advisory Board des D-BAUG tätig – was fällt Ihnen auf, wenn Sie Vergangenheit und Gegenwart vergleichen?
Ich beobachte eine Öffnung, eine Bereitschaft, Vertrautes gehen zu lassen. Diese Generation hat wirklich ein Interesse daran, sich weiterzuentwickeln, es ist ein grosser Wille zum Wandel da. Das finde ich toll. Wenn ich noch einen Wunsch formulieren dürfte, wäre das, dass sich die ordentlich gewählten Professorinnen und Professoren in der Öffentlichkeit mehr exponieren – sie haben ja nichts zu verlieren! Ich fände es gut, sie würden sich häufiger provokativ, aber natürlich konstruktiv, in Debatten einbringen und Veränderungen anstossen.
Privat fördern Sie als Gönner das ETH-Exzellenz- Stipendienprogramm – weshalb?
Ich mache das mit Herzblut, weil ich sehr dankbar für meine Ausbildung bin und der ETH etwas zurückgeben möchte. Ich spende auch deshalb, weil ich es wertvoll finde, mit jungen Leuten verbunden zu bleiben und dadurch neue Impulse zu erhalten.