Unschweizerisch gross gedacht
Mit seinem Co-Founder Gianluca Ambrosetti arbeitet ETH-Absolvent Philipp Furler daran, das Fliegen klimafreundlicher zu machen – dank Treibstoff aus Sonnenlicht.
CO²-neutrales Kerosin ist gemäss Expertinnen und Experten die einzige Chance, den Flugverkehr grüner fortzuführen. Wieso lässt sich das so absolut sagen?
PHILIPP FURLER – E-Flugzeuge können sinnvoll sein, um etwa in Skandinavien Fjorde zu überqueren. Das löst aber unser Problem mit den Emissionen nicht, die vor allem auf den grossen Distanzen entstehen. Die besten Batterien, über die wir heute verfügen, speichern hundertmal weniger Energie als Kerosin. Das macht diese Batterien für Langstreckenflüge untauglich, sie wären viel zu schwer. Beim Wasserstoff wiederum ist das Problem, dass er sehr wenig Energie pro Volumen aufweist. Man bräuchte also sehr grosse Tanks, um genug zu speichern, was die Reichweite von Wasserstoffflugzeugen limitiert. Hinzu kommt, dass man globale Infrastrukturen ersetzen müsste. Die Lebensdauer eines Flugzeugs beträgt 30 Jahre. Selbst wenn Wasserstoff funktionieren würde, müsste man Infrastrukturen jahrzehntelang parallel führen, Stichwort Tanken. Das motiviert weder Airlines noch Flugzeugbauer. Deswegen ist nachhaltig hergestelltes Kerosin aktuell die einzig sinnvolle Alternative. Bei dessen Verbrennung wird nur so viel CO2 freigesetzt, wie zuvor zur Herstellung der Luft entnommen wurde.
Was ist die Geschichte von Synhelion?
Ich habe bei ETH-Professor Aldo Steinfeld studiert und kam über eine Semesterarbeit erstmals mit seiner Forschung in Kontakt. In meiner Master-Arbeit konnten wir zeigen, dass sich Wasser und CO2 mit Solarwärme spalten lassen. Das war der Ausgangspunkt für meine Doktorarbeit, die darin gipfelte, dass wir 2014 mit unseren europäischen Partnern erstmals solares Kerosin herstellten. In der Zeit danach, in der ich bei Aldo als Postdoc tätig war, sind Ideen für die Kommerzialisierung dieser Forschung gereift. Mein Kollege und Co-Founder Gianluca Ambrosetti, der damals die Forschungsabteilung einer Solarfirma leitete, und ich waren uns einig: Damit diese Technologie wirklich etwas bewegen kann, braucht es einen unternehmerischen Ansatz. So entstand 2016 Synhelion. Ein entscheidender Faktor auf dem Weg war das Pioneer Fellowship der ETH: Es ermöglichte die Entwicklung eines Prototyps, einer solaren Miniraffinerie auf dem Dach des Maschinenlaboratoriums der ETH, die die grundsätzliche Machbarkeit des Konzepts «Treibstoff aus Luft und Sonnenlicht» unter Beweis stellte. Für diesen Meilenstein bin ich sehr dankbar.
Das ETH-Spin-off Climeworks ist derselben Forschungsgruppe entsprungen und fusst ebenfalls auf einer genialen Idee.
Ja, die Technologie von Climeworks ist 10 m entfernt von unserer Technologie entstanden, die Gründer Jan und Christoph sind enge Freunde von uns. Es handelt sich um zwei Seiten einer Medaille: Die Anlagen von Climeworks filtern CO2 aus der Atmosphäre, wir verarbeiten CO2 zu Treibstoff. Die Vision von Aldo war von Anfang an, den Kohlenstoffkreislauf zu schliessen. Dafür brennt er, wie wir alle auch! Ich betrachte es als ein riesiges Privileg, diese Technologie entwickeln zu dürfen. Wenn ich es nicht als Beruf machen könnte, wäre es mein Hobby!
Wo steht Synhelion aktuell?
Seit den Anfängen ist sehr viel Innovation passiert. Wir haben das akademische Konzept in ein System überführt, das sich skalieren und wirtschaftlich betreiben lässt. Im Solarturm des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Jülich testen wir unsere Technologie momentan in industrieller Grösse. Ganz in der Nähe wollen wir nächstes Jahr unsere erste eigene industrielle Pilotanlage in Betrieb nehmen. Im Rahmen einer Partnerschaft mit Swiss International Air Lines soll spätestens 2024 der erste Flieger mit Solartreibstoff von Synhelion im Tank abheben. Die erste kommerzielle Anlage wollen wir 2025 in Spanien eröffnen. Um einst den weltweiten Kerosinbedarf klimafreundlich zu decken, wird es insgesamt Anlagen von der Fläche der Schweiz brauchen. Diese sollen in wüstenartigen Gebieten mit viel Sonne stehen. Von da lässt sich unser energiedichter Treibstoff über die bestehende Verteilinfrastruktur leicht transportieren.
Bis 2030 planen Sie, für 1 Euro pro Liter zu produzieren und die Produktionskapazität auf 875 Millionen Liter Solartreibstoff pro Jahr zu erhöhen, etwa die Hälfte des schweizerischen Kerosinverbrauchs. Wie realistisch ist das?
Wir setzen uns keine typisch schweizerischen Ziele, wir sind sehr ehrgeizig! Einen bedeutenden positiven Impact können wir nur mit attraktiven Preisen erzielen, und dafür müssen wir gross denken. Wir sind in konstruktivem Austausch mit der Politik. Feste Beimischquoten für synthetische Treibstoffe werden kommen. Die Quote wird einen Markt schaffen, was uns Investitionssicherheit gibt. Unsere wissenschaftliche DNA und die Fähigkeit, Systeme in der Tiefe zu verstehen, verleihen uns den entscheidenden Vorteil im äusserst komplexen und anspruchsvollen Energiemarkt.