Investieren ins Jetzt

20. Dezember 2022

Gelernt, was eine Aktie ist, hat sie erst nach ihrem ETH-Studium. Heute ist Evelyne Pflugi CEO der Investmentboutique The Singularity Group und fördert das Jungunternehmertum an ihrer Alma Mater.

ETH Zürich Foundation, Investieren ins Jetzt
«Ich möchte zur Anwendung von Forschung beitragen.»
© ETH Foundation / Daniel Winkler
«Ich möchte zur Anwendung von Forschung beitragen.»
© ETH Foundation / Daniel Winkler

Wie wird man von der Lebensmittelwissenschaftlerin zur Chefin eines Fondsmanagers?

EVELYNE PFLUGI – Eigentlich wollte ich immer zu Nestlé. An der Polymesse wurde ich von mehreren Firmen angesprochen, darunter vom damals weltweit grössten Asset-Manager Capital Group. Es wäre mir selbst nie in den Sinn gekommen, in die Finanzwelt einzusteigen. Ich wusste damals kaum, was ein Fonds oder eine Aktie ist. Für ein bestimmtes Programm suchte die Capital Group explizit Trainees ohne Finanzhintergrund. Das Credo war: Um ein guter Investor zu sein, muss man über Risikobereitschaft verfügen. Und Risikobereitschaft demonstriert man, wenn man etwas gut kann und trotzdem etwas anderes tut. Attraktiv am Angebot, das ich erhalten habe, war für mich, dass das Programm in Los Angeles stattfinden sollte. Die USA reizten mich sehr. Also nahm ich an und lernte on the job auf die harte Tour alles, was es zu lernen gab.

Heute sind Sie Unternehmerin. Was gefällt Ihnen an Ihrer Tätigkeit?

Noch vor ein paar Jahren hätte ich gesagt: Es ist spannend, was wir als Firma machen. Heute hat sich mein Fokus verschoben: Als Unternehmerin gerät man ständig an Grenzen. An die eigenen Grenzen und an Systemgrenzen. Erfüllend an meiner Tätigkeit finde ich heute vor allem, mich selbst besser kennenzulernen, meine Stärken und meine Schwächen, und darum herum ein System aufzubauen, das funktioniert. Als meine grösste Stärke habe ich inzwischen identifiziert, treffsicher festzustellen, was andere gut können, und sie dabei zu fördern.

Wie ist Ihnen Ihre Studienzeit in Erinnerung geblieben?

Ich war sehr diszipliniert und kompetitiv, wollte einen guten Abschluss erreichen. Ich interessierte mich aber auch tatsächlich sehr für die Studieninhalte.

Dieses «Im-Lernen-Sein» habe ich extrem genossen. Noch heute vertiefe ich mich gerne in Themen. Zugleich bin ich damals viel ausgegangen, habe Freunde fürs Leben gefunden und als Babysitterin und Nanny gearbeitet. Was ich nicht misse aus dieser Zeit, ist der Druck, den ich verspürte, später dann den Sprung in die Arbeitswelt zu schaffen. Ich dachte damals, das Studium sei «so ein bisschen Forschung machen» und danach fange dann das «reale Leben» an, in dem niemand mehr Fehler macht. Heute weiss ich: Im Berufsleben wird viel gepfuscht, gerade auch in Grossfirmen. Als Studentin habe ich die unbekannte Arbeitswelt zu ernst genommen. (lacht.)

Sie spenden für das Pioneer-Fellowship-Programm der ETH – weshalb?

Ich sehe das als Möglichkeit, zur Anwendung von Forschung beizutragen. Ich unterstütze an der ETH ein Frühstadium dessen, was mich auch in der Vermögensberatung interessiert: Welche Innovationen tauchen wie in welchen Industrien auf und verändern damit in welcher Weise die Welt? Was in der Investmentwelt häufig passiert, lässt sich mit «Zukunft-Raten» beschreiben. Es gibt viele Anlageprodukte, die eigentlich in Forschungs- und Entwicklungsausgaben von Unternehmen investieren. Am anderen Ende des Spektrums wird in Unternehmen investiert, die viel Geld mit Bestehendem machen. Wir bewegen uns dazwischen und nennen das angewandte Innovation.

Wie verbringen Sie Ihre Zeit neben dem Leiten Ihrer Investmentboutique?

In meiner beruflichen Rolle spreche ich mit unglaublich vielen Menschen. Privat suche ich die Ruhe, die Natur, ich wandere sehr gerne. Ich brauche keine zusätzlichen Stimuli wie Sport oder Nachtleben mehr, das Business bietet mir genug Adrenalin.

ETH Zürich Foundation, Investieren ins Jetzt
Die ETH-Alumna unterstützt zukünftige Jungunternehmer wie Patrick Barton (im Bild) und Aurel Neff von Caterra, die einen laserbasierten Jätroboter auf den Markt bringen wollen.
© ETH Foundation / Daniel Winkler