Von der medizinischen Grundversorgung bis zu Nanorobotern

12. September 2021

Die Exzellenz-Stipendiatin Giulia Amos will ihre Faszination für Technologie in den Dienst der menschlichen Gesundheit stellen. Um ihren Weg zu finden, setzt sie auf praktische Erfahrungen und orientiert sich an Vorbildern.

Gamen im Praktikum? Giulia Amos macht genau das. Vier Monate arbeitet sie im Sensory-Motor Systems Lab der ETH Zürich mit, welches sich mit der sensomotorischen Steuerung des Menschen und mit der Interaktion zwischen Mensch und Maschine beschäftigt. Hier forscht sie an einem Projekt von Florian Haufe und Michele Xiloyannis mit. Das Problem, das die beiden Postdoktoranden lösen wollen: Während Reha-Patientinnen und -Patienten ihre Übungen in der Klinik noch sehr regelmässig machen, werden diese, sind die Patientinnen und Patienten wieder zuhause, oft vernachlässigt. Es gibt zwar Videogames, die die Patientinnen und Patienten durch ihren spielerischen Zugang zu den Übungen zusätzlich motivieren sollen, doch sind diese häufig zu langweilig, die Spielerinnen und Spieler bleiben mittel- und längerfristig nicht dran. Bestehende Bewegungsspiele, die auf der Ebene der Spielmechanik funktionieren, sind wiederum nicht spezifisch auf Physiotherapie und Rehabilitation ausgerichtet. 

Ziel des Teams, in dem Giulia mitarbeitet, ist, unterhaltsame Games so anzupassen, dass sie als Therapie spielbar sind. Die Games sollen auch im Verbund mit im Lab entwickelten Trainingsrobotern angewendet werden können. So kommt es, dass Giulia Amos eine breite Palette an Spielen daraufhin erprobt, welche davon sich für welche Rehazwecke eignen. Das Team führt Gespräche nicht nur mit Physiotherapeuten, sondern auch mit möglichen Partnerfirmen aus der Gaming-Industrie. Die Firmen fänden es grundsätzlich interessant, die Zugänglichkeit ihrer Spiele für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen zu verbessern, erzählt die Studentin. Erste Demos seien für Herbst geplant.

Role Model gefunden

Ihr Praktikum im Sensory-Motor Systems Lab ist nicht ihr erstes: Beim Orthopädie-Unternehmen Mathys hat Giulia Amos erfahren, was es heisst, ein Implantat von A bis Z auf den Markt zu bringen, und was Projektmanagement in der Medizintechnik bedeutet. «Mein ‹Problem› ist, dass ich sehr begeisterungsfähig bin und mich sehr vieles interessiert. Praktika finde ich enorm hilfreich, da sie mir Einblicke in verschiedene Bereiche geben», so die Exzellenz-Stipendiatin. Der Bereich der Rehabilitation habe sie gepackt, aber auch das Gebiet Mikro- und Nanotechnologie in der Medizin fasziniere sie; wozu sie ihre Master-Arbeit schreibt, ist deshalb noch offen. Begeistert spricht sie über ihre Tutorin für die Arbeit, Simone Schürle-Finke, ETH-Professorin für Reaktionsfähige Biomedizinische Systeme. Ein Vorbild nicht nur wegen ihrer wissenschaftlichen Leistungen, sondern auch wegen ihrer Zugänglichkeit und Hilfsbereitschaft.

Auch dass die Professorin ihre Familie und eine Karriere in der Forschung gut unter einen Hut zu bringen scheint, ist der Studentin nicht entgangen. Mindestens ein Doktorat soll es für Giulia Amos werden.

Der Mensch im Fokus

Mit ihrem Interesse an den Naturwissenschaften ist die 24-Jährige in ihrer Familie nicht alleine: Ihre eineiige Zwillingsschwester Samira studiert ebenfalls an der ETH, sie macht den Master in Science, Technology & Policy mit Fokus auf Umweltfragen. Aufgewachsen sind die beiden Schwestern in Schwerzenbach im Kanton Zürich, die Matura haben sie an der Kantonsschule Uster gemacht.

Das Interdisziplinäre und der Mensch als Bezugspunkt waren für Giulia Amos ausschlaggebend dafür, dass sie sich 2016 für das Studium Gesundheitswissenschaften und Technologie entschied. Gefragt nach ihren längerfristigen Zielen verweist das junge Talent darauf, dass die Diskrepanz zwischen der hochentwickelten Medizin in den Industrieländern und den mangelhaften Zuständen bereits bei der Grundversorgung in anderen Weltgegenden riesig ist. In einem Projekt mitzuarbeiten, das mehr Menschen eine gute medizinische Versorgung zugänglich macht, ist deshalb Teil der Zukunftspläne von Giulia Amos. Im Herbst geht es erstmal für drei Monate nach Nigeria: Am University of Benin Teaching Hospital wird sie auf der Traumaintensivstation Forschungsarbeit leisten.

Exzellenz ganzheitlich entwickeln

Eigentlich hätte es bereits 2020 ins Ausland gehen sollen. Doch Corona hat der Exzellenz-Stipendiatin einen Strich durch die Rechnung gemacht: «Ich bin normalerweise sehr vorausschauend unterwegs. Dass etwas nicht wie vorgesehen funktioniert und ich kurzfristig meine Pläne ändern muss, war für mich sehr ungewohnt.» Die Hände in den Schoss zu legen, hätte aber nicht zu Giulia Amos gepasst. Schliesslich hat sie zwei Monate in der Kantonsapotheke Zürich gearbeitet und dort Desinfektionsmittel hergestellt: «Ich war froh, während des Lockdowns etwas Sinnvolles tun zu können.»

Und was verbindet die Stipendiatin mit dem Begriff «Exzellenz»?

«Für mich geht es dabei nicht nur um das fachliche Wissen. Auch Aspekte wie Teamfähigkeit, das Übernehmen von Verantwortung oder kritisches Denken gehören dazu. Ich möchte mich in all diesen Bereichen entwickeln, und das Exzellenz-Stipendium ist dabei eine wunderbare Unterstützung, für die ich sehr dankbar bin.»