Talente 2023
Talente 2023
Pioneer Fellowship

Ihr Roboter trotzt der stärksten Strömung

von Isabelle Vloemans
21. September 2023
ETH Zürich Foundation, Ihr Roboter trotzt der stärksten Strömung
© ETH Foundation / Valeriano Di Domenico
Pioneer Fellowship

Ihr Roboter trotzt der stärksten Strömung

von Isabelle Vloemans
21. September 2023

Kennengelernt haben sich Jonas Wüst und Pragash Sivananthaguru, weil sie eine Faszination für Roboter teilen. Inzwischen interessieren sich Partner im In- und Ausland für die Unterwasserdrohne der beiden ETH-Absolventen.

 

«Am Anfang dachten wir nicht daran, dass aus dem Projekt einmal ein Unternehmen werden könnte. Wir wollten einfach einen Roboter bauen», erzählt Jonas Wüst. Ein Bekannter des Maschinenbauers holte den Elektrotechnikstudenten Pragash Sivananthaguru ins Boot. Schnell war klar, dass das Team einen Unterwasserroboter bauen würde, weil die Robotik hier noch nicht so weit wie in anderen Bereichen sei. Als sich die Truppe kurz entschlossen für den grössten studentischen Tauchroboterwettbewerb der Welt registrierte, begann die Uhr zu ticken und das Leben der damaligen Bachelor-Studenten wurde richtig stressig. Pragash Sivananthaguru erinnert sich: «Am Tag studierten wir und in der Nacht testeten wir im Hallenbad Bungertwies unweit der ETH unsere Prototypen.»

«Ohne die ETH im Rücken wäre es nicht möglich gewesen, so weit zu kommen.»

Jonas Wüst

Am Wettbewerb in den USA landete das ETH-Team unter den Top Ten. «Gleich zu Beginn an einem Wettbewerb teilzunehmen, war ein guter Stresstest für unser Team, den wir erfolgreich bestanden», so Jonas Wüst. Einen weiteren Motivationsschub erhielten die Studenten, als sich eine Stelle der Armee für Kampfmittelbeseitigung und Minenräumung bei ihnen meldete. Dort suchte man eine Lösung, um Personen und Objekte aus trüben oder gefährlichen Gewässern zu bergen, ohne Taucher zu gefährden. Nach zwei Jahren kollaborativen Arbeitens konnte der ursprünglich für Poolumgebungen konzipierte Prototyp Proteus im Mai 2022 dem Partner übergeben werden. Dort ist er seither im Einsatz und seine Erfinder erhalten laufend Feedback.

Robotik braucht Zeit

Die Forschung für ihren Roboter sei aufwändig, und ohne die ETH im Rücken wäre es nicht möglich gewesen, so weit zu kommen, ist Jonas Wüst überzeugt. Zum einen hätten sie davon profitiert, dass sie im Lab von ETH-Professor Roland Siegwart in einer Umgebung sind, die bereits seit langem auf diesem Gebiet forscht, einfach für Anwendungen in der Luft. Zum anderen seien inzwischen Erkenntnisse aus rund 20 Semester-, Bachelor- und Master-Arbeiten eingeflossen. «Da ist viel Innovatives zusammengekommen», so Jonas Wüst. Gerade seien sie daran, ein Patent anzumelden. Seit September 2022 wird das Projekt im Rahmen eines ETH Pioneer Fellowships gefördert. Das von Donatorinnen und Donatoren ermöglichte Programm unterstützt unternehmerisch ambitionierte Forschende dabei, ihre Innovationen auf den Markt zu bringen. Sie erhalten Anschubfinanzierung, Zugang zu Infrastruktur und profitieren von Weiterbildung. Tethys heisst das Start-up, nach einer griechischen Meeresgöttin.

ETH Zürich Foundation, Ihr Roboter trotzt der stärksten Strömung
© ETH Foundation / Valeriano Di Domenico

Vom Basler Rhein bis zur Nordsee

Welche Märkte haben die Jungunternehmer, beide Jahrgang 1996, im Blick? Zunächst den Such- und Bergungsmarkt: Abnehmer sind hier wie schon erwähnt militärische Einheiten und die Polizei. Beispielsweise seien nach dem Zweiten Weltkrieg in Schweizer Seen Tausende von Tonnen Munition versenkt worden. Diese zu entschärfen und zu bergen, ist für Taucher eine gefährliche Aufgabe.

Auch bei starker Strömung könnte in Zukunft Proteus zum Einsatz kommen. «Kürzlich haben wir Tests im Basler Rhein durchgeführt. Dort zu tauchen, ist extrem anstrengend. Dafür ist der Mensch nicht gemacht», erklärt Jonas Wüst. Dabei findet sich der Unterwasserroboter selbst bei schlechter Sicht zurecht, weil das ETH-Team Algorithmen entwickelt hat, die aus den Daten akustischer Sensoren Karten rekonstruieren können. Wenn er abgetrieben wird, kann sich der Roboter rasch selbst korrigieren, auch dies dank eines ausgeklügelten Algorithmus. Kürzlich wurden die beiden Ostschweizer sogar aus Norwegen kontaktiert. Auch wo in der Nordsee Offshore-Windanlagen entstehen sollen, liegt häufig Munition auf dem Meeresgrund. Diese Gebiete zu reinigen, ist bis anhin sehr teuer und Proteus könnte hier, mit Metalldetektoren ausgerüstet, gute Dienste leisten, weil Ebbe und Flut ihn nicht aus der Bahn werfen.

Längerfristig hat Tethys auch den Markt für die Inspektion von Unterwasserinfrastrukturen im Blick: Sind Windparks einmal gebaut, müssen sie regelmässig auf z. B. Rost überprüft werden. Wegen ihrer Infrastruktur zur Nutzung von Wasserkraft interessiert sich auch die Axpo für das Start-up.

Technische Expertise reicht nicht

Nächster Meilenstein für Tethys ist die Überführung des Prototyps in ein mit verhältnismässigem Aufwand herstellbares Produkt. Kosten soll der Roboter einmal einen sechsstelligen Betrag, wobei der Preis stark von der konkreten Ausgestaltung für den jeweiligen Kunden abhängen wird. Auf der Softwareseite arbeitet das Team daran, ein für die Erstkunden brauchbares Interface zu gestalten. Darüber macht sich Jonas Wüst wenig Sorgen: «Technisch sind wir gut aufgestellt. Wir müssen nun die Kundenakquise und den Aufbau weiterer Partnerschaften verstärken, mit allem, was es dazu braucht. Dafür werden wir zusätzliches Funding suchen.»

Den Schritt vom Forscher zum Jungunternehmer erlebt Jonas Wüst als Sprung ins kalte Wasser: «Wir sind noch immer am Lernen, aber inzwischen wissen wir wenigstens, was es noch zu lernen gibt.» Geholfen hätten die verschiedenen Angebote an der ETH, angefangen beim Student Project House, und vor allem der Kontakt zu anderen Start-ups. Angesprochen auf das geplante Centre for Students and Entrepreneurs, das studentische und unternehmerische Initiativen unter einem Dach zusammenführen soll, meint Jonas Wüst: «Sowas wäre definitiv wichtig!»