Chemikerin und engagierte Korrektorin

15. August 2020

Am Gymnasium der Töchterschule in Zürich entdeckte Dorothée Wegmann ihr Interesse für Naturwissenschaften. Gleich nach Schulabschluss 1954 immatrikulierte sie sich an der Abteilung für Naturwissenschaften der ETH Zürich. Damit nahm eine Verbundenheit mit der Hochschule ihren Lauf, die ein Leben lang anhalten würde – und mit ihrem Erbe sogar darüber hinaus.

1959 hatte Frau Wegmann das Diplom für die chemisch-physikalische Richtung in der Tasche und begann sogleich ihre Doktorarbeit im organischchemischen Laboratorium. Ihr Thema: Die Untersuchung von Säure-Basen-Gleichgewichten in Essigsäure. Nach Abschluss des Doktorats arbeitete Dorothée Wegmann mehrere Jahre an der «Universidad de La Laguna» auf Teneriffa. Die südspanische Insel hatte sie unter anderem aus gesundheitlichen Gründen gewählt. In Zürich war sie oft von Migräne geplagt worden; beim Klima auf Teneriffa fühlte sie sich wesentlich wohler. Doch selbst auf der Insel kreisten ihre Gedanken oft um die ETH. Während Besuchen in der Schweiz stattete sie meist auch ihrer Alma Mater einen kurzen Besuch ab. Den heute emeritierten Professor Ernö Pretsch, in dessen Gruppe sie später jahrelang arbeiten würde, lernte sie während dieser Zeit kennen. Er half Frau Wegmann bei der Interpretation von NMR-Spektren der Kollegen in Teneriffa. Nach dem Tod des Vaters, der lange Jahre als Direktor der Handelsfirma Karr AG geamtet hatte, kam die Chemikerin zurück nach Zürich. Dort wohnte sie fortan mit ihrer Mutter an der Moussonstrasse, nur einen Steinwurf vom ETH-Hauptgebäude entfernt, wo sie bald auch wieder am Laboratorium für organische Chemie arbeiten würde.

Hart in der Kritik, aber fair

Dorothée Wegmann war stets nur Teilzeit am Laboratorium beschäftigt und vor allem als Organisatorin und Korrektorin tätig. Ihre Mitarbeitenden erinnern sich gerne an Frau Wegmanns akribische Korrekturarbeit. Sie konnte bis Mitternacht an der Korrektur einer Publikation feilen. Dabei ging sie oft davon aus, dass auch andere zur selben Zeit noch am Arbeiten waren. Dem Sperberblick von Frau Wegmann entging nichts.

Wann immer sie sich eine Publikation oder Dissertation vorknöpfte, war diese daraufhin mit roten Kommentaren und Korrekturen übersät. Sie beliess es nicht nur bei sprachlichen Korrekturen. Als studierte Chemikerin schreckte sie auch nicht vor inhaltlichen Änderungen zurück. Wenn nötig, wälzte sie Bücher in der Bibliothek oder suchte englische Muttersprachler, um absolut sicher gehen zu können, dass ihr kein Fehler entging. Dies obschon sie selbst ein Sprachtalent war: Frau Wegmann sprach fliessend Spanisch, Italienisch, Französisch und Englisch. Nach ihrer Pensionierung lernte sie auch noch Russisch – im Selbststudium.

Engagement über die Pensionierung hinaus

Ihre ehemaligen Kollegen am Laboratorium beschreiben Dorothée Wegmann als bescheidene Einzelgängerin. Ihre Mutter, um die sie sich bis zu ihrem Tod mit 90 Jahren kümmerte, war ihre wichtigste Bezugsperson. Sie hatte keine eigene Familie und nur wenig Kontakt zu ihrer Schwester in Basel. Hingegen pflegte sie mit einigen Freundinnen aus der Zeit auf Teneriffa eine jahrelange Brieffreundschaft. Selbst nach ihrer späten Pensionierung im Jahr 2007, unterstützte sie die Doktorierenden am ETH Laboratorium für organische Chemie mit viel Engagement und Geduld bei ihren Arbeiten. Die Doktorarbeit von Martin Badertscher fiel ebenfalls den Sperberaugen von Frau Wegmann zum Opfer. Dafür ist er ihr bis heute dankbar und sagt: «Dorothée Wegmann hat voll und ganz für die ETH gelebt. Sie ist gestorben, wie sie lebte: still und bescheiden.»